CDC-Studie falsch interpretiert: Masken verringern Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung

2.11.2020, 13:22 (CET)

Gegner der Maskenpflicht bezweifeln den Nutzen einer Maske in der Corona-Pandemie, teilweise halten sie ihn sogar für gesundheitsgefährdend. Mit Verweis auf ein Dokument der US-Gesundheitsbehörde CDC soll nun bewiesen werden, dass es deutlich mehr Corona-Infektionen gibt unter denjenigen Personen, die immer eine Maske tragen, als unter jenen, die nie eine Maske tragen. Die Rede ist von mehr als 70 Prozent gegenüber etwa 4 Prozent (hier archiviert).

BEWERTUNG: Die CDC-Studie wird völlig falsch interpretiert. Die Gesundheitsbehörde kommt in dem Papier zu dem Schluss, dass das Tragen von Masken die Ausbreitung des Coronavirus verlangsamt.

FAKTEN: Die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und weitere amerikanische Gesundheitseinrichtungen haben in einer Studie untersucht, welchen Einfluss der Kontakt zu anderen Menschen oder der Besuch öffentlicher Orte auf das Corona-Krankheitsgeschehen unter Erwachsenen haben kann. Dazu wurden zwischen 1. und 29. Juli 2020 mehr als 300 Probanden befragt, die Ergebnisse wurden am 11. September veröffentlicht.

Die Studie unterscheidet zwei Gruppen: Menschen, die positive Coronatest-Ergebnisse erhalten haben («Fallpatienten», engl. «case-patients»), und Probanden, die negativ getestet wurden («Kontrollteilnehmer», engl. «control participants»). Die zweite Gruppe diente den Forschern als Vergleichsgrösse.

Auf Seiten 3 und 4 der Studie ist eine zweiteilige Tabelle zu finden, in der Charakteristika aller Teilnehmer - also sowohl «Fallpatienten» als auch «Kontrollteilnehmern» - angegeben werden. Dabei geht es etwa um Merkmale wie Alter, Ethnie oder Bildung, aber auch etwa darum, ob sie in den 14 Tagen vor den ersten Symptomen zum Beispiel Kontakt mit Covid-19-Kranken hatten, oder ob sie im Restaurant, Fitnessstudio oder in einer Bar waren.

Im letzten Tabellenpunkt, dessen Daten derzeit häufig in sozialen Netzwerken verbreitet werden, geht es um das Tragen von Schutzmasken («cloth face covering or mask»):

Von den 153 befragten positiv getesteten «Fallpatienten» gaben 70,6 Prozent an, in den 14 Tagen vor den ersten Symptomen «immer» («always») eine Maske getragen zu haben. 3,9 Prozent wollen das «niemals» («never») getan haben.

Von den 159 befragten negativ getesteten «Kontrollteilnehmern» aus der Vergleichsgruppe hingegen gaben 74,2 Prozent an, «immer» eine Maske getragen zu haben. 3,1 Prozent taten dies «niemals».

Allein das zeigt schon: Ein grösserer Anteil der Menschen, die negativ auf das Coronavirus getestet wurden, trugen eigenen Angaben zufolge «immer» Masken im Gegensatz zu Teilnehmern, die positiv getestet wurden: 74,2 zu 70,6 Prozent.

Viele Nutzer sozialer Medien interpretieren die CDC-Tabelle vollkommen falsch. Anstatt die Zahlen innerhalb einer der beiden Studiengruppen mit dem jeweiligen Gruppen-Total zu vergleichen, muss man die Daten der «case-patients» mit denen der «control participants» in Beziehung setzen. Nur dann erhält man brauchbare Ergebnisse.

Der Post einer Facebook-Nutzerin (hier archiviert) zeigt nur einen Teil der Tabelle. Es sind nur die Studenergebnisse der 153 «Fallpatienten» zu sehen, die allesamt mit dem Coronavirus infiziert sind. Von diesen gaben 70.6% an, «immer» eine Maske getragen zu haben, und 3.9% trugen den eigenen Angaben zufolge «niemals» eine Maske.

Nach Angaben der CDC-Studie ist für eine Ansteckung die Nähe zu anderen Covid-19-Patienten besonders ausschlaggebend. Von den «Fallpatienten» gaben nämlich 42,2 Prozent an, engen Kontakt mit solch einer Person gehabt zu haben. In der Vergleichsgruppe waren es nur 14,5 Prozent.

Zudem gab es im Gegensatz zur Vergleichsgruppe unter den «Fallpatienten» eine viel höhere Zahl an Menschen, die in den 14 Tagen vor der Erkrankung in einem Restaurant oder in einer Bar gewesen waren. Die Autoren der Studie gaben in diesem Zusammenhang zudem zu bedenken: «Masken können beim Essen und Trinken nicht effektiv getragen werden.»

An keiner Stelle behauptet das CDC-Papier, der Gebrauch von Masken erhöhe die Wahrscheinlichkeit, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Ganz im Gegenteil: Die Autoren empfehlen sogar explizit das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit und in der Nähe von Menschen ausserhalb des eigenen Haushalts.

Schutzmasken helfen nicht allein und vollständig gegen die Ausbreitung des Coronavirus - sie sind vielmehr einer von vielen Strategiebausteinen in der Bekämpfung der Pandemie.

Die US-Faktenchecker von «Politifact» verweisen zudem beispielhaft auf drei Studien, die im Gegensatz zur CDC-Erhebung nicht allein auf Befragungen beruhen. Diese Untersuchungen teils mehrerer Zehntausender Fälle kommen zu dem Ergebnis, dass das Tragen von Masken die Wahrscheinlichkeit einer Corona-Infektion verringert.

Behauptungen, das Tragen von Masken sein gefährlich, haben sich in der Vergangenheit mehrfach als falsch erwiesen.

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Links:

CDC-Studie: https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/69/wr/pdfs/mm6936a5-H.pdf (archiviert: http://dpaq.de/eAAp0)

Faktencheck von «Politifact» über die CDC-Studie: https://www.politifact.com/factchecks/2020/oct/13/facebook-posts/masks-dont-collect-coronavirus/ (archiviert: http://dpaq.de/Red1U)

dpa-Faktenchecks über Masken:

https://dpa-factchecking.com/germany/200911-99-521640/

https://dpa-factchecking.com/germany/201005-99-829014/

https://www.presseportal.de/pm/133833/4601991

https://www.presseportal.de/pm/133833/4579011

Facebook-Post mit Falschbehauptung: https://www.facebook.com/groups/537078216718478/permalink/1012453679180927/ (archiviert: https://archive.vn/TYYoE)

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-schweiz@dpa.com