Deutscher BGH hat keine Entscheidung zur Existenz von Masernviren getroffen

30.07.2020, 14:15 (CEST)

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat im Dezember 2016 eine Beschwerde im Zusammenhang mit einer juristischen Auseinandersetzung zurückgewiesen, in der es um ein nicht gezahltes Preisgeld ging. Seitdem wird in den sozialen Medien immer wieder behauptet, der BGH habe bestätigt, dass es Masernviren nicht gebe.

BEWERTUNG: Es gibt keinen Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) zur Existenz von Masernviren. Das Gericht wies lediglich eine Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Im entsprechenden Beschluss äussert sich der BGH an keiner Stelle inhaltlich zur Sache, um die es im vorangegangenen Rechtsstreit gegangen war. 

FAKTEN: Im November 2011 lobte der deutsche Biologe Stefan Lanka ein Preisgeld in Höhe von 100 000 Euro aus. In der Ausschreibung hiess es: «Das Preisgeld wird ausgezahlt, wenn eine wissenschaftliche Publikation vorgelegt wird, in der die Existenz des Masern-Virus nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen und darin u. a. dessen Durchmesser bestimmt ist.» (Zitiert nach dem späteren Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart.)

Ein Medizinstudent schickte Stefan Lanka daraufhin sechs wissenschaftliche Publikationen zu Masernviren, dazu seine Kontonummer. Als Lanka das Geld nicht überwies, zog der Student vor Gericht. Das Landgericht der deutschen Stadt Ravensburg gab ihm Recht und verurteilte Lanka dazu, die 100 000 Euro zu zahlen.

Lanka ging in Berufung - und bekam vor dem Oberlandesgericht Stuttgart seinerseits Recht. Das Gericht begründete diese Entscheidung unter anderem so: «Im Ergebnis hat die Berufung (...) jedenfalls Erfolg, weil das Kriterium der Auslobung, den Beweis der Existenz des Masernvirus durch "eine wissenschaftliche Publikation" zu führen, durch den Kläger nicht erfüllt wurde.»

Zusammengefasst: Die Anforderungen für die Auszahlung wurden nach Ansicht des OLG von dem Studenten nicht erfüllt, da dieser nicht eine, sondern mehrere Publikationen einreichte. Um die Kriterien zu erfüllen, hätten alle von Lanka zur Widerlegung ausgelobten Punkte in einer einzigen wissenschaftlichen Publikation behandelt werden müssen. Ob Masernviren existieren oder nicht, spielt in der Urteilsbegründung des OLG keine Rolle. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Dagegen ging wiederum der Student vor: Er reichte beim BGH eine Nichtzulassungsbeschwerde ein. Der BGH wies diese am 1. Dezember 2016 in wenigen Sätzen zurück. Die Frage nach der Existenz von Masernviren spielt in dem Beschluss des BGH - wie im Urteil des OLG Stuttgart - keine Rolle.

Auch die Faktenprüfer von «Mimikama» haben sich bereits mit dem Fall beschäftigt.

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Links:

Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/eduard.honauer/posts/1359008290946876 (archiviert: http://archive.is/21F18)

Urteil des Landgerichts Ravensburg: http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Landgerichte&Art=en&sid=b9661a61381354aad69ab3c54d8bb2d4&Sort=1&nr=19277&pos=0&anz=1 (archiviert: http://archive.vn/zxmv4)

Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart: https://openjur.de/u/892340.html (archiviert: http://archive.vn/1x2SB)

Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes: https://impfen-nein-danke.de/u/BGH+I_ZR__62-16.pdf (archiviert: http://dpaq.de/sH3Zx)

Faktencheck bei «Mimikama»: https://www.mimikama.at/allgemein/falschmeldung-masern-viren-existieren-nicht/

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