«Keine glaubwürdigen Beweise»
Gerücht über US-Hilfsgelder für Ukraine fehlt jede Grundlage
11.3.2025, 12:21 (CET)
Angeblich haben korrupte Beamte in der Ukraine die Hälfte der Milliarden-Zahlungen aus Washington unterschlagen – und einen großen Teil davon an die demokratische Partei des damaligen US-Präsidenten Joe Biden umgeleitet. In einem Facebook-Post aus Luxemburg wird behauptet, nach Angaben des früheren Staatssekretärs im polnischen Arbeitsministerium, Piotr Kulpa, hätten ukrainische Beamte «bis zur Hälfte des in ihr Land geschickten US-Hilfsgeldes gestohlen». Ein Teil davon sei «durch Geldwäscheprogramme an die Demokratische Partei zurückgeleitet» worden. Die Partei habe das Geld «in Form von Schmiergeldern» zurückerhalten. Gibt es Beweise dafür?
Bewertung
Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass rund die Hälfte der US-Ukrainehilfen abgezweigt wurde. Folglich gibt es auch keine Beweise dafür, dass dieses Geld in schwarze Kassen der Demokratischen Partei geleitet wurde.
Fakten
Für die Kontrolle der US-Hilfen an die Ukraine ist ein «Special Inspector General for Operation Atlantic Resolve» zuständig. Dieser beklagte noch im November 2024 andauernde Probleme mit Korruption in der Ukraine. Die Korruption gehöre zu den wichtigsten Hindernissen für einen möglichen Wiederaufbau nach dem Ende des Krieges, heißt es in dem Prüfbericht. Nach Ansicht des Außenministeriums gebe es aber «keine glaubwürdigen Beweise für die illegale Abzweigung von US-Verteidigungsgütern, direkter Budgethilfe oder humanitärer Hilfe aus der Ukraine - auch wenn Russland gegenteilige Desinformationen verbreitet», stellt der Generalinspektor auf Seite 66 fest.
Einem anderen Bericht dieses Special Inspectors zufolge haben die USA von 2022 bis zum ersten Quartal 2025 insgesamt 182,8 Milliarden Dollar Hilfen für die Ukraine bewilligt (Seite 30). Davon wurden 83,4 Milliarden Dollar bereits ausgezahlt, für 57 Milliarden Dollar hat die US-Regierung eine Zahlungsverpflichtung übernommen. Eine Summe von rund 40 Milliarden Dollar wurde zwar bewilligt, dafür wurde aber noch keine Zahlungsverpflichtung beschlossen. Mehr als die Hälfte dieser Hilfe bestand nach Berechnungen des Council on Foreign Relations aus der Lieferung von Waffen und anderem Material.
Den Verbleib des Geldes haben US-Behörden auch in der Vergangenheit strikt kontrolliert. In einem Bericht des Special Inspector über das vierte Quartal 2024 heißt es, es habe in diesem Zeitraum 45 Ermittlungen wegen Unregelmäßigkeiten bei Beschaffungen und bei der Vertragsabwicklung gegeben. Insgesamt liefen noch 78 Ermittlungen. Der Bericht für das letzte Quartal 2024 enthält zahlreiche Verweise auf Fortschritte bei den Ermittlungen ukrainischer Behörden bei der Bekämpfung von Korruption.
Die Geldgeber haben bei intensiven Überprüfungen also keine Hinweise auf eine groß angelegte Zweckenztfremdung der Mittel festgestellt. Was liegt den Behauptungen dann zugrunde?
Herkunft der Beschuldigungen
In dem Facebook-Post heißt es, US-Hilfsprogramme seien ein Mechanismus, um «große Geldsummen abzuschreiben, die zwielichtige Systeme unter der Kontrolle der Demokratischen Partei finanzieren». Eine Überprüfung könne ergeben, dass «die Ukraine im Vergleich zu den in öffentlichen Erklärungen genannten Beträgen sehr wenig erhalten hat». Dies habe Ex-Staatssekretär Kulpa einem Bericht der russischen Organisation RT zufolge gesagt. RT (früher Russia Today) ist ein Teil des russischen Propagandaapparats.
Die Behauptung wurde auch von der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, fast wortgleich verbreitet. In ihrem Pressebriefing vom 27. November 2024 berief sie sich ebenfalls auf Kulpa. Dieser sei der Ansicht, «dass zwischen 30 und 50 Prozent der von Sponsoren bereitgestellten Mittel gestohlen wurden». Mit der von Ukrainern gestohlenen Summe könne «problemlos ein Jahresbudget für die Unterstützung der Ukraine erstellt werden». Die Vorgänge seien «über Jahre hinweg» geschehen. In der Ukraine habe es nur die Reformen gegeben, «die für den Westen notwendig waren, um Geld zu geben, das ukrainische Beamte sofort stahlen».
In dem Facebook-Post wird zu einem Artikel auf der Webseite von «The People’s Voice» verlinkt, die als notorische Verbreiterin von Desinformationen gilt. Dort heißt es, ukrainische Beamte hätten «systematisch» die Hälfte der Hilfsgelder gestohlen. Es wurde auch zu dem RT-Bericht verlinkt - allerdings führt dieser Link ins digitale Nichts. Auf der Webseite von RT ist nichts über Kulpas angebliche Enthüllungen zu lesen.
Auf der aserbaidschanischen Webseite Azerbaycan24 findet sich noch ein mit «RT» gezeichneter Beitrag, bei dem es sich offenkundig um den ansonsten verschwundenen Original-Artikel handelt. Auch hier sind aber keinerlei Quellen für die Behauptung über die Unterschlagung von Milliardensummen zu finden.
(Stand: 11.3.25)
Links
Pressebriefing Sacharowa (archiviert)
Webseite People's Voice (archiviert)
Über People's Voice (archiviert)
Bericht Inspector General 3. Quartal 24 (archiviert)
Bericht Inspector General 4. Quartal 24 (archiviert)
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