Karteileichen betrügen nicht

US-Sozialkasse zahlt Leistungen an 68,5 Millionen Empfänger

20.2.2025, 18:21 (CET), letztes Update: 20.2.2025, 21:49 (CET)

In den USA gibt es angeblich Millionen von Rentenempfängern, die in Wirklichkeit schon lange tot sind. Ist das der große Betrug, von dem Elon Musk spricht? Nein, die Sache liegt völlig anders.

In sozialen Medien wird behauptet, Millionen toter Amerikaner bezögen Renten von der Sozialversicherung. Ein Facebook-Post aus Luxemburg verbreitet eine Grafik, die aus einem Post von Elon Musks Behörde für Regierungseffizienz (Department of Government Efficiency, DOGE) auf dessen Plattform X stammt. Dabei geht es um angeblichen Rentenbetrug in ganz großem Stil. 

Bewertung

Diese Behauptung ist falsch. Zwar gibt es viele sogenannte Karteileichen in der Datenbank der US-Sozialversicherung, doch ist dies kein Beweis für millionenfachen Rentenbetrug.

Fakten

In dem Facebook-Post heißt es in luxemburgischer Sprache: «Uns wurde immer gesagt, dass die USA ein Gesundheitsproblem hätten. Aber mit Dutzenden Millionen Krankenkassenempfängern über 130, 140, 150, 160 usw. Jahren und einigen Rentenempfängern, die sogar über 360 Jahre alt sind und somit bereits vor der Gründung dieser Republik gelebt haben müssten, sollte man das vielleicht überdenken.» 

In englischer Sprache wird dann behauptet, Musk habe die US-Sozialversicherung geprüft und sei dabei zu «interessanten» Ergebnissen gekommen. Die USA hätten 394 Millionen Rentenempfänger, aber nur 334 Millionen Einwohner. 1,5 Millionen Empfänger seien «150 Jahre alt oder älter», ein Mensch falle gar in die Altersgruppe zwischen 360 und 368 Jahren. 

Musk hatte am 17. Februar 2025 auf X einen Post mit der fraglichen Grafik verbreitet. Es handele sich dabei um Zahlen der Datenbank der Sozialversicherung – und zwar über die Menschen in verschiedenen Altersgruppen, die nicht als tot gekennzeichnet seien. Im weiteren Verlauf dieses Posts schrieb Musk dann: «Dies könnt der größte Betrug in der US-Geschichte sein.»

Schon sechs Tage zuvor hatte der Multimilliardär per X wissen lassen, dass er einem ganz großen Betrug in Sachen Sozialleistungen auf der Spur sei. Doch wer sich näher mit dieser Sache beschäftigt, stößt auf einen altbekannten Vorgang.

Eine Datenbank mit Millionen «Karteileichen»

Tatsächlich umfasst die Datenbank der US-Sozialversicherung Millionen sogenannte Karteileichen - Menschen, deren Tod nicht in den Unterlagen registriert wurde. Dies bedeutet aber nicht, dass sie Rentenzahlungen erhielten. Das Problem der Datenbank ist schon seit Jahren bekannt. 

Nach Angaben der Webseite wired.com könnte ein Teil der falschen Altersangaben darauf beruhen, dass die Datenbank der Sozialversicherung auf der in den 1950er-Jahren entwickelten Programmiersprache COBOL beruhe. Diese Programmiersprache habe noch keine Datumsfunktionen gehabt. Stattdessen sei für Datenangaben das Referenzdatum 20. Mai 1875 - das Datum der Pariser Konferenz über Standardmaße - als eine Art Nullpunkt gewählt worden.

Dies bedeutet dem Bericht zufolge, dass in vielen Fällen bei fehlenden oder unvollständigen Daten im Jahr 2025 von einem Alter von 150 Jahren ausgegangen werde. Diese Eigenheit von COBOL sei vermutlich jüngeren Programmierern ebenso unbekannt wie die Existenz dieser einst wichtigen Programmiersprache überhaupt.

Behörde zahlte Leistungen an 68,5 Millionen Menschen

Die von Musk verbreitete Auflistung umfasst insgesamt 397 Millionen Menschen. Dies zeigt, dass sie keine Auskunft über die Bezieher von Renten geben kann. Denn nach Auskunft der zuständigen Behörde (Social Security Administration, SSA) haben Ende 2024 rund 68,5 Millionen Menschen Renten oder ähnliche Sozialleistungen erhalten.

Die SSA zahlt nicht nur Altersrenten aus, sondern auch Arbeitsunfähigkeitsrenten, Hinterbliebenenrenten und Sozialhilfen an Personen aller Altersklassen. Die genauen Zahlen gehen aus dem jährlichen Bericht der Behörde hervor.

Rechnungsprüfer untersuchten die Sache 2023

Die Tatsache, dass in der Datenbank der Behörde Millionen von Menschen enthalten sind, die weder leben noch irgendwelche Leistungen beziehen, ist nicht neu. Zuletzt befasste sich ein Bericht von Rechnungsprüfer der SSA im Juli 2023 unter dem Titel «Anzahl der Personen im Alter von 100 Jahren oder älter im Numident ohne Angaben zum Tod» mit dieser Frage. Das Numident (Numerical Identification System) ist die Datenbank der Kasse, die alle seit 1936 vergebenen Sozialversicherungsnummern enthält. 

Dort sind die jeweiligen Antragsteller mit Geburtsort und Geburtsdatum verzeichnet. Auch das Todesdatum sollte dort eingetragen sein - ist es aber in vielen Fällen nicht.

In dem Prüfbericht heißt es unter anderem, 2015 seien weltweit lediglich 35 Menschen im Alter von 112 Jahren oder mehr bekannt gewesen. In der SSA-Datenbank (Numident) seien hingegen 6,5 Millionen Menschen in der Altersgruppe von über 112 Jahren enthalten gewesen. Schon diese Zahl zeigt, welche Dimensionen der Unterschied zwischen Wirklichkeit und Datenbank hat.

Im Jahr 2015 habe man festgestellt, dass schätzungsweise 18,9 Millionen Menschen mit Sozialversicherungsnummern, die die vor 1920 geboren wurden, ohne Information über deren Tod verzeichnet waren. Von diesen 18,9 Millionen Menschen hätten lediglich 44.000 - also gut zwei Prozent - irgendwelche Zahlungen erhalten (Seite 4).

Nachtrag von Sterbedaten wäre teuer

Der Buchprüfer teilte mit, dass die Behörde eingehend überlegte, ob man den Versuch machen solle, die Sterbedaten zu korrigieren. In dem Prüfbericht heißt es (Seite 5): «Die SSA entschied sich letztendlich dagegen, da die Optionen kostspielig in der Umsetzung wären, der Behörde nur wenig Nutzen bringen würden, größtenteils bereits verfügbare Informationen für Datenaustausch-Nutzer duplizieren und Kosten für die Bundesstaaten sowie andere Datenaustauschpartner verursachen würden.» Der Prüfer empfahl dennoch, vorhandene Sterbeinformationen nachzutragen und ein Verfahren zu entwickeln, um jene Kunden, die keine Zahlungen erhielten, zu kennzeichnen. 

Unbestritten ist, dass in der Vergangenheit immer wieder versucht wurde, Renten mit falschen oder gefälschten Unterlagen zu erschleichen. Es gibt aber keinerlei Hinweise auf einen millionenfachen Betrug der US-Rentenkasse: Als eine Sicherheitsmaßnahme hatte die Rentenbehörde bereits am 28. Oktober 2022 entschieden, dass grundsätzlich keine Renten mehr an Personen ausgezahlt werden sollten, die älter als 115 Jahre sind. Sollte es Menschen in dieser Altersgruppe mit einem Rentenanspruch geben, so werde dieser manuell bearbeitet. 

(Stand: 20.2.2025)

Hinweis: Dieser Faktencheck wurde aus technischen Gründen ohne inhaltliche Änderung wiederholt.

Links

Facebook-Post, archiviert

Post DOGEarchiviert 

Post Musk, archiviert

Musk zu Sozialbetrug, archiviert

Bericht wired.com, archiviert

Jahresbericht SSA, archiviert

Prüfbericht SSA, archiviert 

Entscheidung zu Alter 115archiviert

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