Keine Aussage über Wahlen

Ehemaliger EU-Kommissar will Gesetz zu Netzwerken anwenden

14.1.2025, 22:22 (CET)

Ein ehemaliger EU-Kommissar fordert, dass soziale Netzwerke und ihre Eigentümer sich an europäische Gesetze halten. In den sozialen Netzwerken wird etwas ganz anderes aus dieser Äußerung.

Der frühere EU-Kommissar Thierry Breton soll zugegeben haben, dass die EU-Kommission für die Annullierung der Präsidentenwahl in Rumänien verantwortlich sei. Ein Facebook-Post aus Luxemburg behauptet in deutscher und russischer Sprache, Breton habe «unerwartet ein offenes Bekenntnis» abgegeben: «Die Europäische Kommission ist für die Annullierung der Wahlen in Rumänien verantwortlich», heißt es dort wörtlich.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Breton hat das nicht gesagt. Ein Zitat aus einem Interview stand in einem völlig anderen Zusammenhang.

Fakten

Der Facebook-Post verbreitet, allerdings ohne Anführungszeichen, nach der ersten Behauptung ein Zitat, das an anderer Stelle im Internet kursiert: «Wir haben es in Rumänien getan, und wir werden es notfalls auch in Deutschland tun.» Weiter heißt es: «Das ist kein Clown von einem Brüsseler Sender, das ist ein hochrangiger EU-Beamter, der de facto bestätigt hat, dass die Europäische Kommission die Wahlen einfach annullieren wird, wenn sie mit den Ergebnissen des Willens eines beliebigen EU-Landes nicht zufrieden ist!»

Diese Behauptungen beziehen sich auf ein Interview, das Breton am 9. Januar dem französischen Sender BFMTV/RMC gegeben hatte. Breton war seit 2019 bis zu seinem Rücktritt im September 2024 EU-Kommissar für den Binnenmarkt und Dienstleistungen. Er gilt als der politische Kopf hinter dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act/DSA) der EU. Mit dem DSA werden die Betreiber großer Plattformen wie beispielsweise Facebook verpflichtet, die Verbreitung illegaler Inhalte wirksam zu bekämpfen.

Breton sprach über Elon Musks Einmischung

In dem Interview wurde Breton zur Einmischung des amerikanischen Chefs von Tesla und X, Elon Musk, in den deutschen Wahlkampf befragt. Musk hatte Breton in der Vergangenheit wegen der Vorschriften des DSA scharf kritisiert. Um Musks Plattform X und seinen Konflikt mit EU-Gesetzen ging es dann auch in dem Interview.

«Grundsätzlich hat er (Musk) das Recht zu denken und zu sagen, was er will, auch wenn er es auf schockierende Weise tut», sagte Breton. «Was er hingegen in dem Netzwerk tut, auch wenn es ihm gehört: Sobald er in Europa operiert, regulieren wir. Das Gesetz ist da», sagte Breton auf die Frage, ob X in der EU verboten werden könne. Musk müsse die europäischen Regeln befolgen: «Es ist klar und ich bin sicher, dass wir alle Maßnahmen ergreifen werden, um sicherzustellen, dass er (Musk) sich an das Gesetz hält. Wenn er sich nicht daran hält, drohen Geldstrafen und die Möglichkeit eines Verbots.»

Breton betonte: «Wir sind ausgerüstet und es ist notwendig, diese Gesetze durchzusetzen, um unsere Demokratien in Europa zu schützen.» Er fügte dann hinzu (02:35): «Lassen Sie uns abwarten, was passiert. Bewahren wir einen kühlen Kopf und setzen wir unsere Gesetze in Europa durch, wenn diese umgangen werden könnten. Und die, wenn sie nicht durchgesetzt werden, zu Einmischungen führen könnten. Das haben wir in Rumänien getan und müssen es natürlich auch in Deutschland tun, wenn es nötig ist.» 

EU-Verfahren gegen TikTok wegen Rumänien

Damit bezog sich Breton darauf, dass die EU-Kommission vor Weihnachten gemäß dem Digital Services Act ein Verfahren gegen den chinesischen Videodienst TikTok eingeleitet hatte. Die Kommission hegt laut Mitteilung vom 17. Dezember den Verdacht, dass TikTok gegen den DSA verstoßen haben könnte. Und zwar weil es keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen habe, um Risiken für die Rechtmäßigkeit der Präsidentenwahlen in Rumänien vom 24. November zu vermeiden.

«Nachdem wir ernste Hinweise darauf erhalten haben, dass ausländische Akteure sich mithilfe von TikTok in die Präsidentschaftswahlen in Rumänien eingemischt haben, prüfen wir nun gründlich, ob TikTok gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat, indem es diesen Risiken nicht entgegengewirkt hat», heißt es in der Mitteilung. Bei diesen Ermittlungen der Kommission handelt es sich um die dritte Untersuchung, die von der EU-Behörde gegen TikTok eingeleitet wurde.

Die erste Runde der Präsidentenwahl vom 24. November in Rumänien war überraschend von dem zuvor wenig bekannten Nationalisten Calin Georgescu gewonnen worden. Am 6. Dezember - zwei Tage vor dem Termin für die Stichwahl - beschloss Rumäniens Verfassungsgerichtshof die Annullierung des Wahlergebnisses. Dies wurde damit begründet, dass aus Dokumenten hervorgehe, dass Georgescu von einer unfairen Kampagne in den sozialen Netzwerken profitiert habe, die vermutlich von Russland gesteuert worden sei. Moskau hat bestritten, sich in die Wahl eingemischt zu haben. Seit dem Urteil des Verfassungsgerichts hat es immer wieder Demonstrationen für Georgescu gegeben.

Es ging um die Anwendung des DSA, nicht um Wahlen

Breton äußerte sich also über die Anwendung des DSA in Rumänien und eventuell in Deutschland, ohne irgendetwas zur Frage der Annullierung von Wahlen zu sagen. Demmoch behauptete beispielsweise die Webseite Visegrad24.com auf Musks Kurznachrichtendienst X: «Der ehemalige EU-Kommissar Thierry Breton sagt, die EU habe Mechanismen, um einen möglichen Wahlsieg der AfD zu verhindern: „Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es natürlich auch in Deutschland tun, wenn es nötig ist.“»

Tatsächlich hat Breton zu keinem Zeitpunkt gesagt, die EU habe einen Mechanismus zur Annullierung eines möglichen AfD-Wahlsiegs. Unter Hinweis auf die Visegrad24-Behauptung jedoch bezeichnete Musk am 11. Januar den einstigen EU-Kommissar als «Tyrann Europas». Woraufhin Breton reagierte: «Aber nein, @elonmusk: Die EU hat KEINEN Mechanismus, um irgendeine Wahl irgendwo in der EU zu annullieren.» Er habe nur über die Anwendung des DSA und der damit verbundenen Pflichten für große Netz-Plattformen gesprochen. 

Auch in Deutschland kann die EU-Kommission kein Wahlergebnis annullieren. Sofern es Einsprüche beispielsweise gegen ein Ergebnis einer Bundestagswahl gibt, befasst sich zunächst ein Wahlprüfungsausschuss des Bundestages damit. Der Bundestag entscheidet dann, ob er den Empfehlungen des Ausschusses folgt.

Gegen die Entscheidung des Bundestages kann beispielsweise eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Am 19. Dezember 2023 hatte das Bundesverfassungsgericht erstmals eine Bundestagswahl teilweise – nämlich in einzelnen Wahlbezirken in Berlin – für ungültig erklärt und eine Wiederholungswahl angeordnet.

(Stand: 14.1.2025)

Links

Facebook-Post, archiviert

Interview, archiviert

Über Musks Einmischung, archiviert

Bundesregierung zu DSA, archiviert

EU-Kommission zu DSA, archiviert

EU-Verfahren gegen Tik Tok, archiviert

RFE zu Präsidentenwahl, archiviert

Beschluss Verfassungsgerichtshof Rumäniens, archiviert

Visegrad24.com, archiviert

Musk und Breton auf X, archiviert

Bundeswahlleiterin zu Wahlprüfungsausschuss, archiviert

Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverassungsgericht, archiviert

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