Kirche legte Silvestertag fest
Krach in dunklen Nächten sollte böse Geister vertreiben
7.1.2025, 21:30 (CET)
Silvester ist angeblich ein Fest, bei dem die «Sklaven des Systems» ihren kirchlichen Herrscher grüßen. Ein Facebook-Post aus Luxemburg verlinkt zu einem 46 Sekunden langen Videoausschnitt mit dem Titel «Warum wir Silvester feiern». Dort sagt eine Frau: «Ein Fest, das jetzt ansteht zur Jahreswende, ist ja der Geburtstag von Silvester. Das wissen viele nicht. Das war der erste Papst, der seine Macht bekommen hat am Sterbebett von Kaiser Konstantin.»
Bewertung
Die Behauptung ist falsch. In einem in sozialen Medien verbreiteten Video wird Unsinn über den Hintergrund der Feiern zum Ende des Jahres verbreitet.
Fakten
Die Behauptung ist schon deswegen falsch, weil der Geburtstag Silvesters überhaupt nicht bekannt ist. Bekannt ist lediglich, dass er am 31. Dezember des Jahres 335 in Rom starb.
Weiter behauptet die Frau (0:20): «Und der Silvester hat die militärische Hoheit hier eingenommen und möchte jedes Jahr militärischen Gruß auch erhalten.» Was das bedeutet, klingt bei der Sprecherin so: «Das heißt, die Böller, die hören sich nicht umsonst so an, als wenn hier Schusswaffen abgeschossen werden. Das ist der Gruß an Silvester. Und die Sklaven des Systems begrüßen ihren Herrscher auch jedes Jahr so.»
Dass Silvester aus einem «militärischen Gruß» an die «Hoheit» (gemeint ist vermutlich die Obrigkeit) entstanden sei, hat mit dem tatsächlichen Leben Silvesters und der Entstehungsgeschichte des Fests nicht zu tun. Und die Behauptung, die «Sklaven des Systems» begrüßten ihren Herrscher so, hat möglicherweise mit dem bizarren Weltbild des Sprecherin zu tun.
Heiligenkalender und Geisterglaube
Zutreffend ist, dass der 31. Dezember in der katholischen Kirche zum Silvestertag bestimmt wurde, um an den einstigen Bischof von Rom zu erinnern. Dies geschah allerdings erst im Jahr 813 durch eine Änderung im Heiligenkalender. Zu Zeiten von Papst Silvester galt der von Julius Caesar eingeführte Julianische Kalender. Es gab unterschiedliche Daten für den Jahreswechsel – in Deutschland und der Schweiz war es beispielsweise der 25. Dezember.
Die Psychologin Laura Anders verweist in einem Artikel über den Jahreswechsel im Buch «Psychologie der Rituale und Bräuche» darauf, dass erst im 16. Jahrhundert der Gregorianische Kalender eingeführt und der Neujahrstag einheitlich und verbindlich auf den 1. Januar gelegt wurde.
Die damit verbundenen Silvesterfeierlichkeiten seien «weltlicher Natur». Der 31. Dezember – also der Silvestertag – liege in der Mitte der «Raunächte», der dunkelsten Tage des Jahres. Die Vorstellung, dass der Gott Odin in Begleitung der Seelen gestorbener Menschen in der sogenannten «Wilden Jagd» mit Geheul und Geschrei durch den Nachthimmel fliege, habe die Germanen veranlasst, «durch Krach und Lärm diese bösen Geister zu vertreiben».
Kaiser Konstantin starb erst 337
Die Behauptung in dem Video, Silvester habe seine Macht am Sterbebett von Kaiser Konstantin bekommen, beruht vermutlich auf einem Missverständnis. Konstantin starb 337, überlebte Silvester also. Tatsächlich war Silvester seit 314 der erste Papst, der nicht mehr unter der Christenverfolgung zu leiden hatte. Ein Jahr zuvor hatte der römische Kaiser Konstantin im Edikt von Mailand Religionsfreiheit gewährt, um sich dann selbst dem Christentum zuzuwenden.
Zu den Silvesterlegenden gehört auch die Erzählung, dass Konstantin ihm auf dem Sterbebett große Teile des Reiches geschenkt habe. Diese sogenannte «Konstantinische Schenkung» war allerdings eine bereits im 15. Jahrhundert aufgedeckte dreiste Fälschung, die gleichwohl dazu diente, Gebietsforderungen der Kirche zu begründen. Konstantin wurde auch nicht von Silvester getauft. Er wurde vielmehr auf dem Sterbebett von Eusebios von Nikomedia getauft.
Außer der Tatsache, dass der 31. Dezember in der katholischen Kirche der Tag des heiligen Silvester ist, stimmt also wenig an dem Video. Die (falsche) Botschaft, die «Sklaven des Systems» feierten die «militärische Hoheit» des Papstes, beruht wohl lediglich auf dem Glauben der Sprecherin.
Behauptung aus der Reichsbürgerszene
Die Frau, die die falschen Behauptungen aufstellt, galt lange als prominentes Mitglied der sogenannten Reichsbürgerszene in Deutschland. «Reichsbürger» bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland, deren Rechtssystem sie ablehnen. Die in dem Video auftretende Frau war Chefin der Vereinigung «Geeinte deutsche Völker und Stämme», die im März 2020 von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) unter anderem wegen «verbaler Militanz» und «massiven Drohungen gegenüber Amtsträgern und deren Familien» als verfassungsfeindlich verboten und aufgelöst worden.
Die Frau war vom Landgericht Lüneburg im November 2022 wegen Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot, der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung und Missbrauchs von Berufsbezeichnungen zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof verwarf im November 2023 einen Revisionsantrag gegen den Schuldspruch. Wegen eines formalen Rechtsfehlers jedoch wurde vom Landgericht Lüneburg im April 2024 die Haftstrafe auf zwei Jahre und neun Monate verkürzt.
(Stand: 7.1.2025)
Links
Heiliger Silvester, archiviert
Buch Rituale und Bräuche, archiviert
Über Kaiser Konstantin, archiviert
Silvesterlegenden, archivierrt
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