Kind hörte die Kritik
Rührende Geschichte über Erfinder Edison ist erfunden
2.12.2024, 16:24 (CET)
Die Mutter des späteren US-Erfinders Thomas Alva Edison hat angeblich ihrem Sohn verschwiegen, warum dieser die Schule verlassen musste. Erst nach ihrem Tode habe Edison erfahren, dass er von seinem Lehrer nicht als Genie, sondern als «verwirrt» und nicht schulfähig eingestuft worden sei.
Bewertung
Diese Geschichte ist zwar rührend, stimmt aber nicht. Tatsächlich wusste Edison schon als Junge, dass sein Lehrer ihn für geistig behindert hielt.
Fakten
Etwa seit 2015 kursiert im Netz eine Geschichte, deren Urheberschaft nicht eindeutig feststellbar ist. Sie wird in einem Facebook-Post aus Luxemburg erneut verbreitet. In diesem Post wird in luxemburgischer Sprache von einem «Denkanstoß» für Eltern gesprochen: Ein Genie entstehe nicht durch Erniedrigung, vielmehr müssten Eltern ihre Kinder unterstützen.
In dem Post wird zu einer Webseite verlinkt, in der über den angeblichen «Brief des Thomas Edison» berichtet wird. Edison habe von seinem Lehrer einen Brief bekommen, den er seiner Mutter geben sollte. Diese habe dem Sohn mit Tränen in den Augen vorgelesen, dass er nach Ansicht des Lehrers ein Genie sei. Die Schule sei zu klein für ihn und es gebe keine Lehrer, die gut genug seien, ihn zu unterrichten: «Bitte unterrichten Sie ihn selbst.»
Erst nach dem Tod seiner Mutter habe Edison den Brief wiedergefunden und den tatsächlichen Inhalt lesen können: «Ihr Sohn ist geistig behindert. Wir wollen ihn nicht mehr in unserer Schule haben.» Noch am selben Tag habe Edison in sein Tagebuch geschrieben: «Thomas Alva Edison war ein geistig behindertes Kind, doch durch seine heldenhafte Mutter wurde er zum größten Genie des Jahrhunderts.»
Edison ging nur etwa drei Monate zur Schule
Richtig ist lediglich, dass der 1847 geborene Edison nur etwa drei Monate lang zur Schule ging und danach von seiner Mutter daheim unterrichtet wurde. Nach Angaben der Library of Congress begann er als Zwölfjähriger, Zeitungen und Süßwaren auf einem Eisenbahnzug zu verkaufen. Zugleich versuchte er in einem Waggon des Zuges während der Fahrt eine kleine Zeitung zu drucken – ein Experiment, das wegen eines Feuers in dem Waggon endete.
Thomas A. Edison gilt als einer der größten amerikanischen Erfinder. Noch als Jugendlicher entwickelte er ein Gerät zur Umsetzung von Morsecode in gedruckte Buchstaben, später schrieb er – unter anderem - mit der Erfindung des Phonographen zur Aufzeichnung von Tönen (1877), der Perfektionierung des Telefons (1878) und der modernen Glühbirne (1879) Wissenschafts- und Industriegeschichte.
«Edison war ein schlechter Schüler», heißt es in der Biographie der Library of Congress. «Als ein Lehrer ihn als „verwirrt“ bezeichnete, nahm seine wütende Mutter ihn aus der Schule und unterrichtete ihn Zuhause.» Einen Brief, der ihn der Schule verwies, gab es demnach nicht. Edison selbst hat sich in der Zeitschrift «T.P.‘s Weekly» vom 29. November 1907 zum Ende seiner sehr kurzen Schulzeit geäußert.
Seine Mutter verteidigte ihn vor dem Lehrer
Dort sagte er einem Bericht des Faktencheck-Portal Snopes zufolge: «Eines Tages hörte ich, wie der Lehrer dem Schulinspektor sagte, ich sei „verwirrt“ und es lohne sich nicht, mich weiter in der Schule zu behalten. Dies verletzte mich so sehr, dass ich in Tränen ausbrach, nach Hause ging und es meiner Mutter erzählte. Dann erlebte ich, wie gut eine gute Mutter sein kann. Sie entpuppte sich als meine starke Verteidigerin. Die Mutterliebe war geweckt, der Mutterstolz zutiefst verwundet. Sie brachte mich zurück in die Schule und sagte dem Lehrer wütend, dass er nicht wisse, wovon er spreche, dass ich mehr Verstand hätte als er selbst, und vieles mehr. In der Tat war sie die enthusiastischste Verteidigerin, die ein Junge je hatte. Und ich beschloss in diesem Moment, dass ich ihrer würdig sein und ihr zeigen würde, dass ihr Vertrauen nicht unangebracht war.»
Thomas A. Edison litt nach übereinstimmender Auffassung moderner Wissenschaftler wahrscheinlich an einer Aufmerksamkeitsstörung, die im 19. Jahrhundert noch unbekannt war und deshalb auch nicht behandelt wurde. Zudem war er schwerhörig und seit seinem 12. Lebensjahr fast taub. Dass er von seinem Lehrer für «verwirrt», also für geistig gestört, gehalten wurde, war ihm aber bekannt. Es gab daher auch keinen Brief, dessen Inhalt die Mutter ihm vorenthielt.
(Stand: 2.12.2024)
Links
Webseite über angeblichen Brief, archiviert
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-luxembourg@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.