Unseriöse Website
Beweisstücke für angeblichen Harris-Unfall gefälscht
25.9.2024, 14:27 (CEST), letztes Update: 25.9.2024, 14:33 (CEST)
Das Rennen um die Präsidentschaftswahl in den USA ist eng. Gerade deshalb kann so manches, was bis zum Wahltag im November noch passiert, entscheidende Wirkung haben. In Posts auf Facebook heißt es nun, Harris habe im Jahr 2011 angeblich die 13-jährige Alisha Brown angefahren und sei dann weitergefahren, «ohne sich um das verletzte Mädchen zu kümmern». Begleitet werden die Beiträge von einem Nachrichtenbeitrag, in dem das Mädchen von dem angeblichen Vorfall erzählt. Am Ende des Videos werden Röntgenbilder gezeigt, und eine Off-Stimme erzählt, das Opfer habe elf Operationen hinter sich. Das Mädchen sei seit dem Unfall gelähmt und sitze deshalb im Rollstuhl. Stimmt das?
Bewertung
Die angeblichen Belege sind gefälscht. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Kamala Harris in einen solchen Unfall verwickelt war. Alles deutet hingegen auf eine Desinformationskampagne.
Fakten
Die Behauptung stammt von der Website der «KBSF San Francisco News». Das Logo auf der inzwischen nicht mehr aufrufbaren Seite ist deutlich in dem verbreiteten Video zu sehen. Der Domainname «kbsf-tv.com» wurde erst am 20. August registriert. Das zeigt eine Analyse der Domäne der Website. Eine solche kürzliche Registrierung weist oft darauf hin, dass es sich um eine Desinformations-Website handelt.
Meldung stammt von inzwischen gelöschter Website
Obwohl sich «KBSF-TV», dem Namen nach zu urteilen, als Fernsehsender bezeichnet, enthält die überwiegende Mehrheit der Veröffentlichungen keine Videos oder Berichte. Der einzige Videoclip handelt von Kamala Harris. Die Nachricht über Kamala Harris erschien erstmals am 2. September 2024 auf der Seite.
Die Website des vermeintlichen Fernsehsenders enthält keine Redaktionskontakte, Namen von Mitarbeitern, Links zu sozialen Netzwerken und andere Informationen, die normalerweise auf Medienseiten zu finden sind. «KBSF San Francisco News» ist zudem in keiner Datenbank für Unternehmen im US-Bundesstaat Kalifornien eingetragen.
Auf Anfrage des US-Senders CBS erklärte die Polizei von San Francisco, dass ihr keine Aufzeichnungen über einen Unfall im Jahr 2011 an der fraglichen Stelle vorlägen. Eine Suche nach Nachrichtenberichten über einen Autounfall mit Alisha Brown als Opfer führt nur zu einem einzigen Ergebnis.
Im Mai 2016 wurde eine 18-jährige Frau namens Alisha Brown auf Hawaii von Malik Morton angefahren. Dieser Fall steht eindeutig in keinem Zusammenhang mit der jetzt kursierenden Geschichte.
Angebliche Belege stammen aus fremden Quellen
Das Video enthält ein Foto des angeblichen Unfalls und Scans, die angeblich die Frakturen des Mädchens zeigen. Das Foto des Autounfalls (Minute 0:58) hat nichts mit diesem angeblichen Fall zu tun. Eine Bilderrückwärtssuche ergibt, dass das Foto in einem USA Today-Artikel aus dem Jahr 2018 über einen Autounfall in Guam, einer Insel im Pazifischen Ozean, erschien.
Die Scans der Frakturen (Minute 2:56) haben ebenfalls einen anderen Ursprung: Der linke Scan stammt aus einer Studie aus dem Jahr 2010 über einen 58-jährigen Patienten aus China mit Rippenfrakturen, der rechte Scan wurde aus einer Studie von Forschern der Radboud-Universität über Beckenverletzungen bei Erwachsenen und Kindern entnommen. Das Bild zeigt ein 12-jähriges Mädchen mit einer Verletzung des Beckens.
Experte sieht keine Anzeichen auf KI-Manipulation
Könnte das vermeintliche Interview mit Alisha Brown KI-generiert sein? Auf dpa-Anfrage sieht Hannes Mareen, Experte für Bildmanipulation an der Ghent University, keine visuellen Spuren für einen solchen Ursprung. «Ein so langes Video mit KI zu generieren, von Menschen und ohne offensichtliche visuelle Fehler, ist sehr schwierig oder unmöglich», argumentiert er.
Für Mareen ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um eine Schauspielerin handelt, die gefilmt wird. «Mir scheint vor allem, dass eine solche Bildfälschung nicht nötig war, da es um ein einfaches Interview mit einer unbekannten Person geht», erklärt er.
Dennoch ist nach Ansicht des Forschers Vorsicht geboten: «Auch wenn hier höchstwahrscheinlich keine KI eingesetzt wurde, sollten wir wachsam bleiben. Es ist gut möglich, dass wir in naher Zukunft nicht mehr in der Lage sein werden, echte Bilder von KI-generierten oder -manipulierten Bildern zu unterscheiden, und diese weniger technische Kenntnisse erfordern werden», warnt er.
Analyse deutet auf russische Desinformationskampagne
Inzwischen hat Microsoft in einer Pressemitteilung erklärt, dass das Video Teil einer russischen Desinformationskampagne sei, um die US-Präsidentschaftswahlen 2024 zu beeinflussen. Demnach stecke hinter dem verbreiteten Video die russische Gruppe «Storm-1516». Russland konzentriert sich laut der Analyse zunehmend auf den Wahlkampf der Demokraten, indem es gefälschte Videos verbreitet, die Kamala Harris diskreditieren sollen.
(Stand: 25.9.2024)
Links
Microsoft-Analyse zur Falschbehauptung (archiviert)
BBC-Artikel über Behauptung (archiviert)
Spiegel-Artikel über Behauptung (archiviert)
Suchdatenbank Kalifornien (archiviert)
Archivierte Bilderrückwärtssuche
CBS-Artikel über Falschbehauptung (archiviert)
USA Today-Artikel mit Foto (archiviert)
Guam auf Google Maps (archiviert)
Studie mit chinesischem Patient (archiviert)
Studie Radboud Universität I & II (archiviert I & II)
Informationen über Hannes Mareen (archiviert)
Artikel über Unfall auf Hawaii (archiviert)
Archivierte Analyse der «kbsf-tv.com»-Website
Archivierte Website «San Francisco Bay News»
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-luxembourg@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.