Erfundene «Schockaussage»

Austin: Ziele in Ukraine mit mehreren Fähigkeiten erreichbar

11.09.2024, 12:39 (CEST)

Wer sich seine Fakten selbst erfindet, kann damit alles belegen. Nur stimmen die Aussagen dann meist nicht mehr mit der Wirklichkeit überein. So auch in diesem Fall.

Angeblich ist jetzt sogar US-Verteidigungsminister Lloyd Austin davon überzeugt, dass die Ukraine nicht mehr gegen den Angreifer aus Russland gewinnen kann. Und damit habe er bestätigt, was bislang immer als Geschwurbel von Desinformanten abgetan worden sei – sagen Desinformanten. Die «Schockaussage» Austins bei einem Treffen mit Verbündeten in Ramstein sei gewesen, dass es keine Fähigkeit gebe, die den Krieg zugunsten der Ukraine wenden könne.

Bewertung

Austin hat das nie gesagt. Weder in Ramstein noch anderswo. Tatsächlich hat er sich in völlig anderer Weise geäußert.

Fakten

In einem in Luxemburg verbreiteten Facebook-Post heißt es «Was ist plötzlich los?!» Zugleich wird zu einem YouTube-Video verlinkt, das die Frage um eine Überschrift ergänzt: «Schockierende Enthüllung: USA prognostiziert weiteren Kriegsverlauf in Ramstein».

Das Video stammt von einer Autorin, deren andere Videos ähnlich vielversprechende Titel wie «Schock-Prognose», «Schock-Aussage, «Jetzt knallt’s gewaltig» oder «Banken-Beben» tragen. Gleich zu Beginn des Videos formuliert die Autorin: «Der US-Verteidigungsminister spricht hier etwas aus, wo wir von Anfang an belogen wurden.»

Pressekonferenz verlief ohne «Schockaussage»

Es geht in dem Video um angebliche Äußerungen des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin bei einer 25 Minuten dauernden Pressekonferenz nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Ein Video der gesamten Pressekonferenz ist auf der Webseite des US-Verteidigungsministeriums abrufbar. Dort sind alle Äußerungen Austins nachprüfbar.

Die Autorin des bei YouTube und Facebook geposteten Videos zeigt nur einleitende Äußerungen Austins im Original. Später referiert sie (03:35) bloß noch, was der Minister angeblich gesagt hat: «Jedenfalls warnte Lloyd Austin - und das ist diese Schockaussage eigentlich, die er hier tätigt, die von Anfang an klar war, aber scheinbar eben nicht für sehr viele Medien und Politiker, in Deutschland haben wir das sehr gut erleben können – er sagt es gebe keine Fähigkeit, die den Krieg in der Ukraine zugunsten Kiews wenden könne.»

Offenbar um die Unglaublichkeit dieser «Schockaussage» zu unterstreichen, wiederholt sie noch einmal (04:05): «Es gibt keine Fähigkeit, es gibt keine Möglichkeit.» Das sei «absolut heftig». Auch gegen Ende des Videos behauptet sie noch einmal: «Man sagt, es gibt nichts, was diesen Krieg auf Seiten der Ukraine entscheiden könnte.»

Da die Autorin diese «Schockaussage» Austins trotz der Formulierung «Das schauen wir uns mal an» nicht zeigt, hilft vor allem der Blick auf das vollständige Video des Pentagons oder auf die Niederschrift der Pressekonferenz durch das Ministerium bei der Feststellung dessen, was Austin tatsächlich gesagt hat.

Austin spricht von «Kombination von Fähigkeiten»

Der Minister antwortete auf die Frage, was er von dem Wunsch Selenskyjs halte, ukrainische Langstreckenwaffen tief in Russland einzusetzen (18.32): «Wir haben die ganze Zeit gesagt, dass es keine einzige Fähigkeit gibt, die für sich genommen in diesem Feldzug entscheidend sein wird. Wir hatten diese Diskussion über Panzer. Wir hatten diese Diskussion über andere Fähigkeiten, und jedes Mal haben wir darauf hingewiesen, dass es nicht nur auf eine Sache ankommt, sondern auf die Kombination von Fähigkeiten und darauf, wie man diese Fähigkeiten integriert, um Ziele zu erreichen.»

Die USA würden weiterhin «alles in unserer Macht Stehende tun», um sicherzustellen, dass die Ukraine beim Verteidigen des eigenen Territoriums erfolgreich sein könne. Dann fügte Austin noch einmal hinzu: «Ich glaube nicht, dass eine bestimmte Fähigkeit entscheidend sein wird, und ich bleibe bei dieser Aussage.» Die Ukraine habe durchaus Fähigkeiten, Ziele in Russland anzugreifen.

Austin sagte auch, der Krieg könne sofort durch den Rückzug Putins beendet werden: «Ich denke, dass dieser Konflikt irgendwann am Verhandlungstisch gelöst werden wird, aber wann das sein wird, ist schwer vorherzusagen. Wir werden also weiter daran arbeiten, die Ukraine in die bestmögliche Position zu bringen, wenn dieser Tag in der Zukunft kommt.»

«Keine Fähigkeit allein» ist nicht «keine Fähigkeit»

Austins Aussage, dass es «keine einzige Fähigkeit gibt, die für sich genommen in diesem Feldzug entscheidend sein wird», hat mit der ihm in dem YouTube-Video untergeschobenen Behauptung, es gebe «keine Fähigkeit, die den Krieg in der Ukraine zugunsten Kiews wenden könne» nicht das Geringste zu tun. Austin betont vielmehr, dass es im Krieg in der Ukraine nicht auf eine einzige Fähigkeit allein, sondern auf eine ganze Reihe von Fähigkeiten ankomme.

(Stand 9.9.2024)

Links

Facebook-Post, archiviert

YouTube-Video, archiviert

Andere Videos des YT-Kanals, archiviert

Video US-Verteidigungsministerium , archiviert

Transkript der Pressekonferenz, archiviert

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