Bis zu zehn Jahre Gefängnis

In Deutschland stehen hohe Strafen auf Kinderpornografie

05.06.2024, 14:56 (CEST)

Sexueller Missbrauch von Kindern gehört zu den besonders abstoßenden Straftaten. Da wäre es doch seltsam, wenn die Kinderpornografie in Deutschland «entkriminalisiert» würde. So ist es auch nicht.

Kinderpornografie wird einem Facebook-Post aus Luxemburg zufolge in Deutschland angeblich «entkriminalisiert». Das Parlament habe ein Gesetz beschlossen «wonach der Besitz und die Verbreitung von Pornografie mit Kindern als Vergehen und nicht als Verbrechen gilt, wofür eine Gefängnisstrafe von drei Monaten vorgesehen ist». Was ist dran an dieser Darstellung?

Bewertung

Die Behauptung der Entkriminalisierung ist falsch. Kinderpornografie kann in Deutschland auch weiterhin mit bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug bestraft werden.

Fakten

Tatsächlich droht in Deutschland für die Herstellung oder Verbreitung von Kinderpornographie nach wie vor eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Das Gesetz wurde 2021 entsprechend verschärft: Zuvor hatte die Höchststrafe bei maximal fünf Jahren Haft gelegen. Zugleich wurde 2021 die Mindeststrafe von drei Monaten auf ein Jahr erhöht.

Mindeststrafe wieder gesenkt, Höchststrafe bleibt

In dem Facebook-Beitrag heißt es, der deutsche Justizminister Marco Buschmann habe vorgeschlagen, «den Paragraphen über die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz von Kinderpornografie von der Kategorie der Verbrechen in die Kategorie der Vergehen umzuwandeln».

Daran trifft lediglich zu, dass der Deutsche Bundestag am 16. Mai 2024 die Mindeststrafe für die Verbreitung von kinderpornografischem Material auf sechs Monate und für den Besitz von Kinderpornografie wieder auf drei Monate verringert hat. Die Höchststrafe bleibt hingegen bei zehn Jahren.

Mit der Senkung der Mindeststrafe will die Bundesregierung, wie sie in einer Begründung für den Entwurf einer Gesetzesänderung mitteilte, Probleme bei der praktischen Anwendung des Gesetzes korrigieren. Das deutsche Recht besagt, dass Taten mit einer Mindeststrafe von zwölf und mehr Monaten als Verbrechen gelten.

Es handelt sich dann nicht mehr um Vergehen, also geringere Gesetzesverstöße. Dies wiederum bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden bei Verbrechen Ermittlungen einleiten müssen und Verfahren nicht mehr einstellen oder mit einem Strafbefehl (beispielsweise einer Geldzahlung) erledigen können.

Gesetzesänderung berücksichtigt stärker die Motive

In der Begründung für die Verringerung der Mindeststrafe heißt es, eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr sei nicht mehr verhältnismäßig, «wenn die beschuldigte Person offensichtlich nicht aus einem eigenen sexuellen Interesse an kinderpornografischen Inhalten gehandelt hat». Dies gelte etwa für Eltern und Lehrer, die kinderpornografisches Material bei Jugendlichen finden und zum Beispiel an andere Eltern oder die Schulleitung weiterleiten.

Die Einstufung als Vergehen sei außerdem «dringend erforderlich», weil es einen großen Anteil jugendlicher Täter und Täterinnen gebe. «Denn auch hier agieren die handelnden Personen in der Regel nicht, um sich durch den kinderpornografischen Inhalt sexuell zu erregen, sondern aus einem für den jugendlichen Entwicklungsstand typischen Antrieb wie Unbedarftheit, Neugier, Abenteuerlust oder Imponierstreben», heißt es in der Begründung. Zudem gebe es Fälle, in denen beispielsweise durch Messenger-Dienste kinderpornografische Fotos unbeabsichtigt auf das eigene Smartphone gelangen könnten.

Minister spricht von «fatalen Folgen» der Änderung 2021

«In der Praxis hat sich herausgestellt, dass die vor zwei Jahren beschlossene Anhebung der Mindeststrafe zu teils fatalen Folgen führt», sagte Justizminister Buschmann der Zeitschrift «Zeit» im November 2023. Die Bundesregierung hatte bei Vorlage des Gesetzentwurfes auch argumentiert, die Senkung der Mindeststrafe ermögliche «wieder eine effektivere Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern, da die Strafverfolgungsbehörden wieder mehr Möglichkeiten haben werden, Verfahren zu priorisieren».

In einer Erklärung versicherte die Bundesregierung, schwere Straftaten würden auch nach der Gesetzesänderung «mit der notwendigen Härte geahndet».

Bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag im April 2024 stimmten nach Angaben des Parlaments die meisten Fachleute der Korrektur des Gesetzes zu. Einige verwiesen darauf, dass sie schon bei der Änderung von 2021 vor genau den dann aufgetretenen Problemen gewarnt hatten. Eine ausführliche Darstellung der Anhörung, ein knapp zweistündiges Video der gesamten Anhörung und die Original-Stellungnahmen der unterschiedlichen Organisationen und Experten sind auf der Webseite des Bundestages abrufbar.

(Stand: 05.06.2024)

Links

Facebook-Post, archiviert

Beschluss des Bundestages, archiviert

Begründung der Bundesregierung , archiviert

Buschmann-Interview in der ZEIT, archiviert

Bundesregierung zu Gesetzesänderung, archiviert

Anhörung im Bundestag, archiviert

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