Traum vom selbstfahrenden Auto

Wagen in historischen Film von versteckten Fahrern und ferngesteuert gelenkt

08.05.2024, 19:08 (CEST)

Verlorengegangenes Wissen gehört zu den Lieblingsthemen der Anhänger von Verschwörungstheorien. So überrascht es nicht mal, dass es vor mehr als 100 Jahren schon selbstfahrende Autos gegeben haben soll.

Autos, die ganz ohne Fahrer ihre Passagiere sicher ans Ziel bringen, haben schon kurz nach der Erfindung des Automobils die Fantasie von Menschen beflügelt. In sozialen Netzwerken kursiert die Behauptung, fahrerlose Autos habe es schon damals gegeben.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Es gab vor gut 100 Jahren keine selbstfahrenden Autos.

Fakten

In einem in Luxemburg verbreiteten Facebook-Post wird ein Video verbreitet, in dem angeblich Autos gezeigt werden, die selbständig fahren. «Fahrerlos 1928» ist die Erläuterung zu dem einminütigen Video mit alten Schwarz-Weiß-Filmsequenzen. Tatsächlich werden die beiden gezeigten Autos von Fahrern gesteuert - wenn auch auf unterschiedliche Weise.

Unterwegs auf der «Opel-Bahn»

In den ersten 23 Sekunden ist in dem Film ein Auto vom Typ Opel 4 mit Berliner Kennzeichen in einer deutschen Großstadt zu sehen. Das Fahrzeug wurde wegen der ursprünglich ausschließlich grünen Lackierung auch «Laubfrosch» genannt. Es handelt sich um einen Zweisitzer, der aber über einen ausklappbaren Notsitz in zweiter Reihe verfügte, den sogenannten «Schwiegermuttersitz».

An der Stelle dieses Notsitzes befindet sich auf dem in dem Video gezeigten Fahrzeug ein relativ hoher Aufbau mit Schaltern und Knöpfen. Tatsächlich saß in diesem Kasten der Fahrer, der das Auto dank eines Umbaus steuern konnte, ohne dass eine Person auf dem Vordersitz das Lenkrad drehen musste. Unter anderem ist dies in einem Artikel der Zeitschrift «auto motor und sport» vom Januar 2024 nachzulesen.

Mit diesem Auto warb der Ingenieur Arthur Franke für den Besuch der von ihm erfundenen «Opel-Bahnen». Dabei handelte es sich um einen relativ kleinen Rundkurs für Vergnügungsparks und Jahrmärkte, auf dem abenteuerlustige Besucher in speziell umgebauten Autos fahren konnten. Ein mit dem im Video gezeigten Auto fast identisches Fahrzeug ist in sehr viel besserer Bildqualität auf einer Webseite zu sehen, die sich mit Franke befasst. Auf diesem Foto ist deutlich zu erkennen, dass mit dem angeblich selbstfahrenden Auto Werbung für eine «Opel-Bahn» gemacht wird.

Im Artikel wird auch eine «Opel-Bahn» mit Autos und Besuchern gezeigt. Auf den hinteren Sitzen sind die als «Fahrlehrer» bezeichneten tatsächlichen Fahrer erkennbar. Sie schalten und bremsen - um Schäden an den vergleichsweise teuren Autos zu vermeiden. Die zahlenden Besucher dürfen auf den beiden Vordersitzen nur lenken und sich der Illusion hingeben, selbst ein Auto fahren zu können.

Experimente mit Fernsteuerung

Während der erste Teil des bei Facebook verbreiteten Videos sich mit einem Werbegag befasst, geht es im zweiten Teil (ab Sekunde 23) um eines der ersten per Fernsteuerung gelenkten Fahrzeuge der Welt. Das Video zeigt ein sehr schmales dreirädriges Gefährt, das an einen Sarg erinnert. Im Jahr 1921 fährt es nach Angaben des Discover-Magazins durch die Straßen von Dayton (Ohio), dicht gefolgt von einem herkömmlichen Auto, von dem aus das Gefährt mit einer Funk-Fernsteuerung gelenkt wird.

1925 wurde die von der Francis P. Houdina entwickelte Technik der Funk-Fernsteuerung dann in New York auf Broadway und Fifth Avenue mit einem «American Wonder» genannten Auto des Typs Chandler vorgeführt. Die Fahrt endete, als das Auto außer Kontrolle geriet und mit einem Fotografen-Wagen kollidierte.

Andere in sozialen Medien verbreitete Beweise für frühes «fahrerloses» Autofahren erweisen sich bei näherem Hinsehen rasch als Scherz. Ein vom selben Facebook-User verbreitetes Video zeigt angeblich ein Auto, das von allein vorfährt, sich dann von einer zusteigenden Person lenken lässt und anschließend selbstständig rückwärts rangiert. Es handelt sich hierbei um Filmmaterial der britischen Wochenschau British Pathé.

Das in dem Facebook-Post verlinkte Video ist etwas kürzer als das auf der Pathé-Webseite noch verfügbare Original. Das liegt vor allem daran, dass in der Facebook-Version der Schluss des humorigen Wochenschau-Beitrags weggeschnitten wurde. Denn im Original wird das Auto von einem Motorrad-Polizisten gestoppt und der unter einer Abdeckung verborgene tatsächliche Fahrer gibt sich zu erkennen.

(Stand: 8.5.2024)

Links

Facebook-Post, archiviert

Video, archiviert

Zeitschriftenartikel, archiviert

Webseite über Opel-Bahn, archiviert

Discover-Magazin zu Houdina, archiviert

Time Magazine zu American Wonder, archiviert

Facebook-Post 2, archiviert

Pathé-Video geschnitten , archiviert

Pathé-Webseite, archiviert#

Pathé-Video original, archiviert

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