Neue Variante BA.2.86

US-Behörde vergleicht Virusvarianten statt Impfstatus

07.09.2023, 11:09 (CEST)

Wer ungenau liest, bekommt oft nur das mit, was er lesen möchte. Und das kann dann genau das Gegenteil von dem sein, was eigentlich geschrieben wurde.

Geimpfte Menschen sind angeblich nicht so gut gegen eine Infektion mit einer neuen Variante des Coronavirus geschützt wie die Ungeimpften. Das jedenfalls soll die US-Gesundheitsbehörde CDC nun amtlich bestätigt haben.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Die US-Gesundheitsbehörde hat den Schutz von Geimpften nicht mit dem Schutz von Ungeimpften verglichen. Sie vergleicht das Infektionsrisiko verschiedener Virusvarianten.

Fakten

In einem Facebook-Post aus Luxemburg wird behauptet, das amerikanische Gesundheitsamt habe «bestätigt, dass die Geimpften weniger als die Ungeimpften vor der neuen Variante geschützt sind». Diese Behauptung bezieht sich auf die neue Variante «BA.2.86» des Covid-19-Virus.

In dem Post wird zu einem YouTube-Video verlinkt, in dem ein Immobilien-Investor behauptet, die US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) habe «das Impfversagen jetzt offiziell zugegeben». «Geimpfte sind nämlich anfälliger gegenüber der neuen Corona-Variante als Ungeimpfte. Das ist wirklich krass und ein riesengroßer Paukenschlag», sagt der Mann gleich zu Beginn.

Risikobewertung des CDC im Mittelpunkt

Als «Beweis» dafür soll eine vom CDC am 23. August 2023 veröffentlichte Zusammenfassung der Risikobewertung für die neue Variante BA.2.86 dienen. Diese Variante war eine Woche vor der Veröffentlichung auf der Webseite des CDC in Dänemark und Israel erstmals aufgetaucht. Bis zum 23. August gab es laut CDC in den USA nur zwei festgestellte Fälle.

In seinen Risikobewertungen schätzt das CDC wöchentlich aufgrund der jeweils vorhandenen Informationen und Forschungsergebnisse die von einer neuen Virusvariante ausgehenden Gefahren und Risiken ein.

«Nach dem derzeitigen Kenntnisstand der CDC scheinen die bestehenden Tests zum Nachweis und die Medikamente zur Behandlung von COVID-19 bei dieser Variante wirksam zu sein», heißt es in der Mitteilung der US-Gesundheitsbehörde, die in dem Video übrigens fälschlicherweise als «Pendant zu unserem Gesundheitsministerium von Karl Lauterbach» bezeichnet wird (1:20).

Weiter heißt es in dem Text des CDC: «BA.2.86 ist möglicherweise eher in der Lage, eine Infektion bei Menschen auszulösen, die bereits an COVID-19 erkrankt waren oder die COVID-19-Impfstoffe erhalten haben.»

In dem Video wird dieser Satz so verstanden: «Die schreiben tatsächlich, dass man eine höhere Infektionswahrscheinlichkeit hat, wenn man entweder schon mal Corona hatte oder wenn man gegen Corona geimpft wurde. Wenn du dagegen kein Corona hattest und nicht geimpft wurdest, dann ist deine Infektionswahrscheinlichkeit geringer.»

Genau dies bedeutet der Text nicht. Er bedeutet, dass die neue Variante eher als die bisher bekannten Varianten in der Lage ist, eine Infektion auszulösen - also die Schutzwirkung der Impfung zu überwinden. Er bedeutet nicht, dass die neue Variante eher eine Infektion bei Geimpften auslösen kann als bei Ungeimpften.

Vergleich mit anderen Virusvarianten

Bei etwas genauerer Lektüre wird diese Botschaft gegen Ende des Textes noch einmal deutlicher formuliert. In dem Absatz «Immune Impacts» (Auswirkungen auf das Immunsystem) heißt es: «Die große Anzahl von Mutationen bei dieser Variante (gemeint ist BA.2.86) lässt befürchten, dass sie im Vergleich zu anderen neueren Varianten stärker von der bestehenden Immunität aus Impfstoffen und früheren Infektionen abweicht.»

Auf diese Passage weist auch ein entsprechender Faktencheck von USA Today hin. Der Organisation Politifact erklärte das CDC, eine Impfung bleibe der sicherste Weg, um Krankenhausaufenthalte, längerfristige Auswirkungen auf die Gesundheit und den Tod zu vermeiden. Eine Antwort des CDC auf eine Anfrage der dpa, wie der missverstandene Satz richtig zu interpretieren sei, stand zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung noch aus.

Das CDC betonte in seiner Analyse grundsätzlich, es lägen noch nicht genügend Virusproben vor, um die Auswirkungen auf die Immunität zu beurteilen: «Fast die gesamte US-Bevölkerung verfügt über Antikörper gegen SARS-CoV-2, die durch eine Impfung, eine frühere Infektion oder beides entstanden sind. Und es ist wahrscheinlich, dass diese Antikörper auch weiterhin einen gewissen Schutz gegen schwere Erkrankungen durch diese Variante bieten werden. Dies ist ein Bereich, der derzeit wissenschaftlich untersucht wird.»

Dies präzisiert die Risikobewertung des CDC vom 30. August 2023, also eine Woche später. Dort heißt es, Wissenschaftler untersuchten noch, «wie frühere Immunitäten aus Impfungen oder früheren Infektionen vor dieser neuen Variante schützen». Man untersuche, wie gut Antikörper das Virus an der Infektion von Zellen hinderten.

Behauptung nicht von CDC-Bewertung gestützt

Es spielten aber auch andere Teile des Immunsystems eine wichtige Rolle, deren Aktivität gegen die neue Variante wahrscheinlich nicht abnehme: «Dies ist ein Bereich, der derzeit wissenschaftlich untersucht wird.» Auf jeden Fall gehe man davon aus, dass der aktualisierte Impfstoff, der ab Mitte September verfügbar sein solle, «die Zahl der schweren Erkrankungen und Krankenhausaufenthalte wahrscheinlich wirksam verringern wird».

Die in dem Video mehrfach erhobene Behauptung, die Geimpften seien «durch die ersten Impfungen anfälliger gegen neue Coronavarianten geworden», wird von keinem einzigen Wort in der Risikobewertung des CDC gestützt.

(Stand: 07.09.2023)

Links

Facebook-Post(archiviert)

Video(archiviert)

Risikobewertung CDC 23.8.(archiviert)

Risikobewertung CDC 30.8.(archiviert)

Faktencheck von USA Today (archiviert)

Faktencheck von Politifact (archiviert)

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