Kein Beweis für Biowaffen

US-Erklärung stützt russische Behauptung nicht

24.04.2023, 16:37 (CEST)

Es wäre sensationell, wenn eine Mitteilung der US-Regierung nachträglich einen Kriegsgrund für Russland liefern würde. Doch davon kann keine Rede sein.

Russland hat den Krieg gegen die Ukraine auch damit zu rechtfertigen versucht, dass die USA in der Ukraine angeblich Labore zur Entwicklung von chemischen und biologischen Waffen betrieben. Die USA haben das stets energisch bestritten. Nun wird in sozialen Medien der Eindruck erweckt, als habe das US-Verteidigungsministerium die russischen Behauptungen untermauert, indem es die Unterstützung von Laboren in der Ukraine bestätigte. «Wladimir Putin hatte also die ganze Zeit recht», heißt es dort.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Russland hat den USA nicht die Unterstützung von Laboren, sondern die Entwicklung von biologischen Waffen vorgeworfen. Und das wird von den USA nach wie vor bestritten. Es gibt laut den Vereinten Nationen auch keinerlei Beweis dafür.

Fakten

In einem in Luxemburg verbreiteten Facebook-Post wird unter anderem behauptet: «Wladimir Putin hatte also die ganze Zeit recht: Das US-Pentagon veröffentlichte auf seiner offiziellen Website eine Erklärung, in der bestätigt wurde, dass es in den letzten 20 Jahren 46 ukrainische biologische Einrichtungen finanziert hat...» In dem Post wird auf eine Erklärung des US-Verteidigungsministeriums zu diesem Thema verlinkt.

In diesem Dokument vom 9. Juni 2022 schreibt das Verteidigungsministerium (Pentagon), die russischen Anschuldigungen seien unbegründet. Unter anderem werden dort die gemeinsamen Bemühungen mit der Sowjetunion und später mit Russland zur Vernichtung von chemischen und biologischen Waffen sowie zur Beschäftigung der damals in diesen Bereichen arbeitenden Personen aufgelistet. Das Papier verweist auch darauf, dass die Ukraine alle sowjetischen Atomwaffen an Russland zurückgegeben hat.

Das Verteidigungsministerium erinnerte daran, dass es sowohl Russland als auch Staaten wie Kasachstan und Usbekistan mit Geld und Experten geholfen habe, frühere sowjetische biologische Waffen unschädlich zu machen und zugleich friedliche biologische Forschungsarbeit zu unterstützen. Die USA hätten daher auch mit der Ukraine bei der Überwachung der biologischen Sicherheit und dem Schutz vor Krankheiten sowohl für Menschen als auch für Tiere zusammengearbeitet. Man habe «in den letzten zwei Jahrzehnten 46 friedliche ukrainische Labors, Gesundheitseinrichtungen und Krankheitsdiagnosestellen unterstützt».

Im Gegensatz dazu hatte eine Sprecherin des russischen Verteidigungsministeriums bereits im März 2022, also kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, behauptet, Labore in der Ukraine würden «Komponenten für biologische Waffen» entwickeln. Schon im Dezember 2015 hatte der russische Präsident Putin unter Bezug auf Nachbarstaaten Russlands von «Ungewissheit über den Besitz ausländischer Staaten von biologischen Waffen und deren Potenzial zur Entwicklung und Herstellung dieser Waffen» gesprochen.

Bisher gibt es jedoch keinerlei Beweis für diese russischen Behauptungen und Andeutungen. «Die Vereinten Nationen haben keine Kenntnis von biologischen Waffenprogrammen», erklärte die UN-Abrüstungsbeauftragte Izumi Nakamitsu am 11. März 2022. Im September 2022 war ein von Russland beantragtes förmliches Treffen des Büros für Abrüstungsfragen der Vereinten Nationen in Genf ohne Annäherung zu Ende gegangen. Das US-Außenministerium sprach danach von einer russischen «Desinformationstaktik».

Die Haltung der Vereinten Nationen, wonach keine biologischen Waffenprogramme bekannt seien, wurde bei einer Debatte im Weltsicherheitsrat vom 27. Oktober 2022 vom stellvertretenden Abrüstungsbeauftragten Adedeji Ebo bekräftigt. Der Sicherheitsrat lehnte eine von Russland vorgeschlagene Resolution ab, in der den USA und der Ukraine vorgeworfen werden sollte, gegen die Konvention zum Verbot biologischer Waffen verstoßen zu haben. Lediglich China unterstützte den Moskauer Antrag.

Die Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) erinnert in einem Papier daran, russische Vorwürfe, die USA arbeiteten mit und an biologischen Waffen, reichten bis in die Zeit des kalten Krieges zurück. Vielmehr seien einige der Einrichtungen in Kasachstan, Georgien und der Ukraine, die später mit US-Hilfe zu Gesundheitseinrichtungen umgebaut wurden, früher Teil eines illegalen sowjetischen Programms für Biowaffen gewesen.

Unsinnig sei zudem die Moskauer Behauptung, die Vernichtung gefährlicher Stoffe in ukrainischen Laboren nach Beginn des russischen Einmarsches zeige, dass dort an Biowaffen gearbeitet worden sei: Solche Stoffe müssten selbstverständlich vernichtet werden, um in einem bewaffneten Konflikt nicht außer Kontrolle zu geraten. Die Stiftung wird mit Geld der deutschen Bundesregierung und der hessischen Landesregierung finanziert.

(Stand 24.04.2023)

Links

Facebook-Post, archiviert

Erklärung US-Verteidigungsministerium, archiviert

Meldung zu russischer Behauptung, archiviert

Erklärung UN-Abrüstungsbeauftragte, archiviert

Debatte Weltsicherheitsrat, archiviert

Russischer Resolutionsantrag, archiviert

Erklärung US-Außenministerium, archiviert

Papier HSFK, archiviert

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