Faschingsumzug 2020
Deutsche feiern Russen - aber das war vor dem Krieg
1.3.2023, 20:44 (CET)
In sozialen Netzwerken wird behauptet, bei einem Faschingsumzug in Deutschland habe sich gezeigt, wie ausgelassen sich Deutsche und Russen gemeinsam freuen können. Als Beleg wird am Aschermittwoch 2023 ein Video verbreitet: Als Russen verkleidete Umzugsteilnehmer schwenken begeistert russische Fahnen. Ist die Stimmung bei dem Faschingsumzug zu schön, um ein Jahr nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine wahr zu sein?
Bewertung
Der gezeigte Faschingsumzug fand vor dem jüngsten russischen Angriff auf die Ukraine statt. Das Video ist also aus dem zeitlichen Zusammenhang gerissen. Es zeigt daher nicht, was der begleitende Text behauptet.
Fakten
Ein in Luxemburg verbreiteter Facebook-Post teilt ein knapp drei Minuten langes Video von einem Faschingsumzug in Deutschland. Im Text zu dem Video heißt es: «Karneval in Deutschland und die Russen freuen sich, dass Deutsche eine andere Meinung haben als die Medien erzählen». Damit wird offensichtlich auf die angespannten Beziehungen zwischen der deutschen und der russischen Regierung seit Russlands Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 Bezug genommen.
Tatsächlich zeigt das Video den Faschingsumzug im baden-württembergischen Ort Bühlertann vom 24. Februar 2020, dem Rosenmontag vor drei Jahren. Das Video ist also genau zwei Jahre vor dem jüngsten russischen Angriff aufgenommen worden.
Während des gesamten Videos sind das Wort «Donezk» in kyrillischer Schrift sowie der Buchstabe «Z» eingeblendet, mit dem die russischen Streitkräfte beim Einmarsch in die Ukraine die eigenen Fahrzeuge markierten. Der Buchstabe gilt seither als Symbol für die Unterstützung der russischen Aggression. Über dem Wort «Donezk» befindet sich ein Symbol mit einem Förderturm, das einen Bezug zur Industrieregion Donezk herstellt, die zur Ukraine gehört, aber zu weiten Teilen von russischen Truppen besetzt ist.
In Wirklichkeit gibt es keinen Zusammenhang zwischen der russischen Invasion und dem Faschingsumzug in Bühlertann. Allerdings war der Umzug schon 2020 in Russland aufgefallen. Damals hatte das russische Fernsehen ausführlich über das Spektakel berichtet. «Der Heimatverein hat in Bühlertann mit einer Nachbildung der Basilius-Kathedrale beeindruckt - auch das russische Staatsfernsehen», schrieb die Zeitung «Südwest Presse».
Auch das Fastnachtskomitee von Bühlertann postete im März 2020 auf Facebook stolz: «Diese Gruppe kennt man nun weit über das Bühlertal hinaus. Unser Heimatverein hat das Thema "Russland" so perfekt dargestellt, dass es in den russischen Medien rauf und runter lief. Wir können das definitiv verstehen! Das Motto wurde perfekt umgesetzt!»
2020 hatten die Menschen in Bühlertann eine riesige Nachbildung der Basilius-Kathedrale, die mit ihren Zwiebeltürmen im Herzen Moskaus ein wesentlicher Teil des Stadtbildes ist, auf einem Fastnachtswagen durch den Ort gefahren. Dazu hatten Dutzende von Vereinsmitgliedern aller Altersgruppen, einheitlich in russischem Stil kostümiert, getanzt. Dabei wurden russische Fahnen geschwenkt und russische Lieder gesungen. Von dem fraglichen Faschings-Wagen und der ausgelassenen Stimmung an jenem Rosenmontag gibt es auch auf Facebook umfassendes Bildmaterial.
Das jetzt dazu verbreitete Video stammt offensichtlich aus einem Kanal des Netzwerks Telegram, in dem nur Beiträge verbreitet werden, mit denen der russische Angriff auf die Ukraine unterstützt und gerechtfertigt werden soll. Das Logo dieses Telegram-Kanals ist identisch mit jenem Logo, das auf dem Video als eine Art Wasserzeichen zu sehen ist.
Das Video zeigt also nicht, «dass Deutsche eine andere Meinung haben als die Medien erzählen». Völlig unabhängig davon haben deutsche Politiker übrigens immer wieder erklärt, dass es keinen Konflikt zwischen dem deutschen und dem russischen Volk gibt. «Nicht das russische Volk hat die fatale Entscheidung des Überfalls auf die Ukraine getroffen. Dieser Krieg ist Putins Krieg», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beispielsweise schon im März 2022.
(Stand 01.03.2023)
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