Kunst-Herz schlägt falsch

Angeblicher Fernsehbericht ist Teil eines Kunstprojekts

24.02.2023, 21:39 (CET)

Manche Kunstwerke gaukeln dem Betrachter sehr überzeugend eine falsche Wirklichkeit vor. Fehlt bei ihrer Präsentation der nötige Kontext, werden Menschen in die Irre geführt.

Die Frage, ob ein Mensch auch künstlich geschaffen werden könnte, hat im Laufe der Jahrzehnte immer wieder Künstler beschäftigt. Ein Niederländer hat das so perfekt beschrieben und vorgeblich dokumentiert, dass seine Arbeit auch nach einigen Jahren immer noch von manchen Menschen für real gehalten wird. Aber hat nicht gar das Fernsehen über die Entwicklung des künstlichen Herzens berichtet?

Bewertung

Nein, der mit «Tagesschau» markierte Fernsehbericht ist ein aus dem Zusammenhang gerissener Teil eines Kunstprojekts. Er ist ebenso erfunden wie der angeblich erstmals hergestellte «modulare Körper» und der dazugehörige Wissenschaftler. Erst mit dem nötigen Kontext wird klar, dass es hier um ein Projekt eines niederländischen Video-Künstlers geht.

Fakten

In einem Facebook-Post aus Luxemburg wird ein Video geteilt, in dem angeblich zu sehen ist, dass niederländische Wissenschaftler «ein Herz im Labor hergestellt» hätten, «das wie ein echtes schlägt». Mit einem Schriftzug der deutschen «Tagesschau», dem die Buchstaben TECH und RDA hinzugefügt sind, kann der Eindruck entstehen, als handle es sich um einen wissenschaftlichen Bericht des deutschen Fernsehens. Zudem lautet die Überschrift des Videos «Deutsche Nachrichten, Schaffung eines Herzens» (German News, Creating a Heart).

In der Video-Beschreibung heißt es zwar «Erleben Sie die ganze Science-Fiction-Story auf http://www.themodularbody.com» - doch dann wird in englischer Sprache erklärt: «Eine deutsche Nachrichtensendung berichtet über Oscars Herz, das von Vlasmans Team im Labor von Project Oscar erfolgreich gedruckt wurde. In den Nachrichten wird über den Durchbruch, das Labor und die Sensation eines gedruckten Organs mit Blutgefäßen berichtet.»

«Oscar» wird als der Name eines «modularen Körpers» ausgegeben, den ein niederländischer Wissenschaftler namens Cornelis Vlasman künstlich geschaffen haben soll. Vlasman sei auch der Autor des fraglichen YouTube-Videos, dass seit April 2016 knapp 10 000 mal angesehen wurde. Tatsächlich gibt es Vlasman ebenso wenig wie den Fernsehbericht oder den künstlichen Körper «Oscar».

Der angebliche modulare Körper namens Oscar wurde 2016 von dem niederländischen Digitalkünstler Floris Kaayk geschaffen. Die völlig fiktionale Erfindung des Künstlers entwickelt seither ein Eigenleben. Zu den angeblich zusammensetzbaren Organen gibt es unter anderem auch einen dpa-Faktencheck.

Bei seinem Kunstwerk handelt es sich um die Webseite «The Modular Body», zu der man über eine Facebook-Seite weitere Informationen erhält und Zugang bekommt. Die Seite bietet eine Auswahl von 56 zum Teil sehr aufwendig hergestellten Videos, in denen der angebliche Biologe Vlasman beim Entwerfen, Bauen und Testen des «modularen Körpers» gezeigt wird, unter anderem beim Spenden von eigenem Blut für «Oscar». Auch angebliche Epertendiskussionen sind dort ebenso wie beispielsweise die vermeintliche TV-Berichterstattung abrufbar.

Im Gegensatz zu früheren Kunstprojekten, bei denen er Zuschauer im Unklaren über die Wirklichkeit ließ, lässt Kaayk jedoch schon auf der Webseite themodularbody.com in der Rubrik «About» keinerlei Zweifel aufkommen: «The Modular Body ist eine Online Science-Fiction Story über die Schaffung von Oscar, einem aus menschlichen Zellen gebauten lebenden Organismus.»

Zudem wird der fiktionale Charakter des «modularen Körpers» in einem YouTube-Video über «The story behind» erläutert. In diesem Video erläutert die Autorin Ine Poppe, die das Drehbuch für das Projekt Modular Body schrieb, die Absicht des Werkes. «Es ist eine Science Fiction Story, es ist nicht wahr», sagt sie. Das Interessante sei gewesen, dass diese Science Fiction durchaus Bezug zur Realität habe.

Im Zusammenhang des Kunstprojektes ist also die zum Verständnis nötige Einordnung gegeben, die bei einem isoliert geteilten Video fehlt. Entsprechend wurde Kaayks Projekt in seiner Gesamtheit beim Niederländischen Filmfestival 2016 mit dem «Goldenen Kalb» für das beste interaktive Werk ausgezeichnet.

(Stand 24.02.2023)

Links

Facebook-Post, archiviert

Video, archiviert

Webseite Floris Kaayk, archiviert

dpa-Faktencheck

Webseite Modular Body, archiviert

Facebook-Seite Modular Body, archiviert

YouTube-Video, archiviert

Auszeichnung Filmfestival, archiviert

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