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Länder schlugen verschiedene WHO-Regeln vor

05.01.2023, 14:32 (CET)

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird vieles nachgesagt - neuerdings auch, dass sie die Menschenrechte aus den internationalen Gesundheitsvorschriften streichen wolle. Was ist da dran?

In sozialen Netzwerken wird behauptet, die WHO wolle die Menschenrechte aus den internationalen Gesundheitsvorschriften streichen. Sie wolle außerdem zu einer «medizinischen Weltmacht» werden. Ihr Chef solle offiziell «in den Rang eines Diktators erhoben» werden.

Bewertung

All diese Behauptungen sind falsch. Die WHO plant nichts Derartiges.

Fakten

In einem Facebook-Post wird ein Video geteilt, in dem über wichtige Nachrichten berichtet wird, die angeblich während der Weihnachtsfeiertage veröffentlicht wurden, um nicht bemerkt zu werden. Unter anderem geht es dabei um angeblich bedrohliche Pläne der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Verfasser des Videos ist der Blogger Mark Hegewald, dessen Videos unter dem Namen «Markmobil» über Telegram verbreitet werden.

Das Video wird in luxemburgischer Sprache sinngemäß mit den Worten «Naja, dann wird ja auch das nächste Jahr wieder beschissen» kommentiert. Unter anderem wird behauptet (ab Minute 1:05), die WHO wolle «die Menschenrechte aus den internationalen Gesundheitsvorschriften streichen». Gemeint ist das unter dem Namen «Internationale Gesundheitsvorschriften (2005)» im Jahre 2005 vereinbarte Regelwerk der 194 WHO-Mitgliedstaaten, das 2007 in Kraft trat.

In dem Video wird behauptet, die Gesundheitsvorschriften seien «ein Buch, das festlegt, nach welchen Standards medizinische Behandlungen durchgeführt werden müssen». Dies ist falsch. Wie aus Artikel 2 der Gesundheitsvorschriften hervorgeht, besteht der Sinn der Vorschriften «darin, die grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen, davor zu schützen und dagegen Gesundheitsschutzmaßnahmen einzuleiten». Dies müsse in einer Art und Weise geschehen, «die den Gefahren für die öffentliche Gesundheit entspricht und auf diese beschränkt ist und eine unnötige Beeinträchtigung des internationalen Verkehrs und Handels vermeidet».

Um Behandlungsvorschriften für Patienten geht es also ausdrücklich nicht. Weitere Hintergründe und Details zu den Gesundheitsvorschriften erläutert Das Robert Koch Institut (RKI).

Die Behauptung, die WHO wolle die Menschenrechte aus den Internationalen Gesundheitsvorschriften streichen, ist falsch: Es gibt keinen solchen Vorschlag der WHO.

Die Behauptung bezieht sich offenbar auf einen Vorschlag der Regierung Indiens. Dieser Vorschlag ist in einem 197 Seiten starken Papier enthalten, in dem alle bisher eingegangenen Vorschläge für eine Änderung der Gesundheitsvorschriften zusammengefasst sind. Dabei handelt es sich um 15 sehr unterschiedliche Vorschläge, von denen auch einer im Namen der EU-Staaten von der Tschechischen Republik eingereicht wurde.

In dem 19-seitigen Beitrag Indiens wird in der Tat eine Änderung des ersten Satzes von Artikel 3 der Gesundheitsvorschriften vorgeschlagen. Dieser lautet in der derzeit gültigen Form: «Die Durchführung dieser Vorschriften erfolgt unter uneingeschränkter Achtung der Würde des Menschen, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.»

Die Regierung in Neu-Delhi schlägt stattdessen die folgende Formulierung vor: «Die Durchführung der vorliegenden Verordnungen erfolgt gemäß den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Inklusivität, Kohärenz und im Einklang mit den gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten der Vertragsstaaten und unter Berücksichtigung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung.»

Ob dieser indische Vorschlag im weiteren Verlauf der Beratungen über die Änderung der Gesundheitsvorschriften eine Mehrheit finden wird, ist ungewiss. Die Vorschläge Russlands, der USA und der EU sehen jedenfalls keine Veränderung des ersten Satzes von Artikel 3 vor.

Über die Veränderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften wurde bereits bei der WHO-Generalversammlung im Mai 2022 diskutiert. Wie die medizinische Zeitschrift «Lancet» berichtet, soll auf die Tatsache reagiert werden, dass die internationale Gemeinschaft nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie nicht in der Lage war, robust und koordiniert gegen die Ausbreitung des Virus vorzugehen.

«Lancet» warnte in dem Artikel, ein Konsens über die neuen Vorschriften werde schwer zu erreichen sein, wenn die erheblichen Ressourcen-Unterschiede zwischen reichen und ärmeren Staaten nicht stärker berücksichtigt würden.

In dem Video wird auch behauptet, die WHO wolle mit Veränderungen der Gesundheitsvorschriften «zu einer Art medizinischer Weltmacht» werden. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus und dessen Direktoren sollten «nahezu in den Rang eines Diktators erhoben und die Möglichkeiten der Zensur für Sie weiter ausgebaut werden».

Als Beweis für diese Behauptung wird ebenfalls das indische Vorschlagspapier herangezogen. In diesem Papier schlägt Indien vor, die WHO müsse in sieben Bereichen ihre «Kapazitäten verstärken», darunter bei der Bekämpfung von «Fehlinformation und Desinformation». In dem Video wird trotz der klaren Faktenlage verschwiegen, dass es sich um einen Vorschlag Indiens und nicht der WHO handelt.

(Stand: 5.1.2023)

Links

Facebook-Post mit Video, archiviert

Text Gesundheitsvorschriften 2005, archiviert

Hintergrund Gesundheitsvorschriften, archiviert

Vorschläge der WHO-Staaten, archiviert

Lancet, archiviert

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