Kein «Geständnis»

Studien zeigen Impfstoff-Wirkung - auch gegen Verbreitung

07.11.2022, 16:43 (CET)

Eine Unwahrheit wird nicht deshalb richtig, weil sie irgendwo gedruckt erscheint. So auch im Fall eines Thüringer Anzeigenblattes, das sich über medizinische Studien und das EU-Parlament auslässt.

Im Dezember 2020 hat der US-Impfstoffhersteller Pfizer zusammen mit dem deutschen Unternehmen Biontech den weltweit ersten zugelassenen Impfstoff gegen Covid-19 auf den Markt gebracht. Nun wird Pfizer vorgeworfen, das Unternehmen habe den Impfstoff vor der Marktzulassung nicht darauf getestet, ob die Impfung auch das Risiko einer Übertragung des Virus verringere. Pfizer habe das erst jetzt zugegeben.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Bereits bei der Zulassung war öffentlich bekannt, dass der Impfstoff nicht auf die Übertragungsrate getestet wurde - und dass dies auch kein Teil der Zulassung war. Vielmehr ging es darum, Infizierte vor einer schweren Erkrankung zu schützen. Dennoch gab es Anfang 2021 erste Erkenntnisse über den sogenannten Fremdschutz. Dieser Schutz vor Übertragung auf andere (Transmission) nahm später mit dem Aufkommen neuer Virus-Varianten ab.

Fakten

In einem Facebook-Post aus Luxemburg wird das Foto einer Seite aus der «Südthüringer Rundschau» vom 26. Oktober 2022 geteilt. Die Überschrift eines vierspaltigen Artikels (auf Seite 13) lautet: «Pfizer bestätigt offiziell, dass der Impfstoff die Verbreitung von Corona nicht verhindert». In der Unterzeile wird behauptet: «Impfpflicht und Ausgrenzung von Millionen Menschen basieren auf einer Lüge.»

Bei der «Südthüringer Rundschau» handelt es sich um ein wöchentlich erscheinendes Anzeigenblatt, das nach eigenen Angaben mit einer Auflage von 20 000 Stück an 170 Stellen im Landkreis Hildburghausen (Thüringen) kostenlos ausliegt. Es bezeichnet sich selbst als «meinungsfreudig, unabhängig, bürgernah». Der gleiche Artikel ist auf der Webseite des in Fürstenwalde (Brandenburg) ansässigen Hauke-Verlags zu finden.

Die Überschrift des Artikels ist falsch. Tatsächlich hat Pfizer bloß bestätigt, dass bei der Zulassung der Covid-19-Impfung keine Daten hinsichtlich der weiteren Verbreitung von Covid-19 vorlagen. Spätere Daten belegen jedoch, dass die Impfung eine Weiterverbreitung vor allem der ersten Virus-Variante verringert hat.

Daher ist auch die im Text enthaltene Behauptung falsch, es habe «nie» Daten darüber gegeben, dass der Corona-Impfstoff die Verbreitung des Virus verhindern könne. Ebenfalls unzutreffend ist zudem die Behauptung «Jetzt ist es amtlich: Die Impfung verhindert die Verbreitung von Corona nicht!».

In dem Artikel wird auf den niederländischen EU-Abgeordneten Rob Roos verwiesen. Er hatte in einem per Twitter verbreiteten Video gesagt, die Behauptung, man schütze mit der Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere Mitglieder der Gesellschaft, habe sich bei einer Anhörung im Europaparlament als «völliger Unsinn» herausgestellt. Pfizer habe dort «zugegeben», dass der Impfstoff vor der Zulassung nicht daraufhin untersucht worden sei, ob er auch die Übertragung und Weiterverbreitung des Virus stoppen könne.

Die Behauptung von Roos, erst bei der Anhörung im Europaparlament habe sich herausgestellt, dass es bei der Zulassung des Impfstoffes keine Daten über die Weiterverbreitung des Virus gegeben habe, ist ebenso unzutreffend wie die Behauptung in dem Artikel der «Thüringer Rundschau», es sei «jetzt hochoffiziell» dass es «niemals» solche Daten gegeben habe.

Denn tatsächlich hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bereits in ihrer Mitteilung vom 21.Dezember 2020 ausdrücklich - und hochoffiziell - festgehalten: «Die Auswirkungen der Impfung mit Comirnaty auf die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus in der Bevölkerung sind noch nicht bekannt. Es ist noch nicht bekannt, inwieweit geimpfte Personen das Virus noch in sich tragen und verbreiten können.»

Und schon am 11. Dezember 2020 hatte die US-Behörde FDA in einer Mitteilung über die Zulassung des Pfizer-Impfstoffs betont: «Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Daten vor, die eine Aussage darüber zulassen, wie lange der Impfstoff schützt, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Impfstoff die Übertragung von SARS-CoV-2 von Mensch zu Mensch verhindert.»

Pfizer-Chef Albert Bourla sagte der irischen Webseite «The Journal» vom 13. Januar 2021 zufolge, es seien noch Forschungen hinsichtlich der Frage nötig, ob die Impfungen auch die Weiterverbreitung des Virus verhindern könnten: «Dies ist noch nicht schlüssig. Wir wissen, dass es bei Tieren einen signifikanten Schutz vor der Übertragung des Virus gibt ... . Beim Menschen haben wir das noch nicht [bewiesen].»

Weder die EMA noch die FDA hatten den Nachweis einer verringerten Weiterverbreitung des Virus von den Impfstoff-Herstellern gefordert. Das entscheidende Kriterium für die Zulassung war, dass die Impfstoffe als sicher gelten und mindestens einen 50-prozentigen Schutz gegen Erkrankung boten. Beides war der Fall.

Die Aussage von Wissenschaftlern und Politikern, man schütze mit der Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere, war trotz des Fehlens entsprechender Daten bei der Zulassung keineswegs aus der Luft gegriffen. Schon Anfang 2021 lagen hinsichtlich des sogenannten «Fremdschutzes» Daten in verschiedenen Studien vor. Beispielsweise in einer im New England Journal of Medicine im April 2021 veröffentlichten Studie und in einer in Lancet veröffentlichten Studie vom Mai 2021. Beide Studien beziehen sich auf Israel und weisen die Wirksamkeit des frühen Impfstoff-Typs BNT162b2 nach.

Das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) teilte im Februar 2022 mit, dass der Fremdschutz bei der Omikron-Virusvariante deutlich geringer als bei früheren Varianten sei. In einer aktuellen Mitteilung vom 13.10.2022 betont das RKI aber: «Über die Transmission (Übertragbarkeit des Virus) unter Omikron gibt es bisher keine ausreichenden Daten; sie scheint bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt ist.» Studien aus Norwegen und Dänemark zeigten, dass auch bei Omikron die Übertragbarkeit um 6 bis 21 Prozent nach der Grundimmunisierung und um weitere 5 bis 20 Prozent nach einer Auffrischungsimpfung verringert sei.

Auch wenn die Frage der Weiterverbreitung von Mensch zu Mensch zunächst nicht untersucht wurde, kann die Impfung also einen Beitrag zur Verringerung der Übertragung leisten.

(Stand: 7.11.2022)

Links

Facebook-Post, archiviert

E-Paper Zeitung, archiviert

MDR über Südthüringer Rundschau, archiviert

Webseite Hauke-Verlag, archiviert

Video, archiviert

EP zu Rob Roos, archiviert

Video Roos, archiviert

EMA-Mitteilung, archiviert

FDA-Mitteilung, archiviert

Bourla in The Journal, archiviert

Studie NEJM, archiviert

Studie Lancet, archiviert

Mitteilung RKI, archiviert

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