Nasenabstrich verursacht keine Hirnschädigung

20.08.2020, 15:43 (CEST)

Für einen Corona-Test wird zumeist ein Abstrich des Nasen-Rachen-Raumes mithilfe eines sterilen Wattestäbchens vorgenommen. In den sozialen Netzen werden verschiedene falsche Behauptungen darüber verbreitet. Ein User bei Facebook schreibt etwa: «Deshalb tut das Testen so weh! Dieser tiefe Test zielt darauf ab, einen Eingang zum Gehirn für jede Infektion zu schalten» (sic!). Eine mehrteilige Grafik flankiert den Beitrag.

BEWERTUNG: Ein Nasenabstrich verursacht keine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke. Das Hirngewebe ist zusätzlich von einer Knochenschicht umgeben, die ein Abstrichtupfer unmöglich durchbohren kann.

FAKTEN: Steht der Verdacht einer Sars-CoV-2-Infektion im Raum, wird ein Diagnose-Test vorgenommen. Grundlage des Tests sind bestenfalls - so schreibt es das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) auf seiner Website - Proben der oberen und unteren Atemwege. Konkret bedeutet das: ein Abstrich des Nasen-Rachen-Raumes sowie eine Probe des Auswurfs.

Der Abstrich wird bevorzugt aus den tieferen Abschnitten der Nase entnommen. Denn jüngere Studien belegen, dass die Nase zumeist Eintrittspforte für das Virus in den Körper und seine Konzentration dort zeitweise relativ hoch ist.

Wolfgang Wagner, Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der München Klinik Schwabing, widerspricht entschieden der verbreiteten Behauptung, ein Abstrich könne die hämatoenzephalische Barriere, besser als Blut-Hirn-Schranke bekannt, verletzen oder gar außer Kraft setzen.

Anders als vor allem die Grafik des Beitrags suggeriert, handelt es sich bei der Blut-Hirn-Schranke nämlich nicht um eine lokal begrenzte Barriere zwischen Rachen und Gehirn. Die Blut-Hirn-Schranke setzt sich aus speziellen Zellen zusammen, die die Innenwände der Blutgefäße auskleiden, welche die Hirnmasse umgeben und versorgen. Die dichte Zellschicht verhindert auf diese Weise, dass gefährliche Erreger oder Substanzen aus der Blutbahn ins Gehirn gelangen.

Hals-Nasen-Ohren-Spezialist Wagner schließt aus, dass ein Behandler bei einem Abstrich überhaupt bis dorthin vorzudringen vermag: «Hinter allen Abschnitten der Schleimhaut der tiefen Nasenabschnitte und des sich anschließenden Nasenrachens befindet sich eine Knochenschicht, die die Schleimhaut von den Gewebeschichten des Gehirns trennt. Dieser Knochen kann durch einen Abstrichtupfer unmöglich durchbohrt werden.»

Außerdem sei es auch nicht zutreffend, dass ein Abstrich immer schmerzhaft sei, so Wagner weiter. «Das ist nur der Fall, wenn es in der Nase Engstellen gibt. Ansonsten ist der Abstrich bei vorsichtiger Durchführung nicht besonders unangenehm», erklärt der Arzt der Deutschen Presse-Agentur.

Auch die Faktencheck-Teams von AP und BBC kommen bei diesem Thema zu ähnlichen Ergebnissen. Belgische Experten haben sich zu der Frage in einem Faktencheck der dpa auf Französisch geäußert.

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Links:

Beitrag: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1153419728370827&set=a.105188379860639&type=3&theater (archiviert: http://archive.vn/bmTtw)

Hinweise des RKI zu Corona-Testung (erster Abschnitt): https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html (archiviert: http://dpaq.de/ESsQJ)

Aufsatz zur Nase als Eintrittspforte für das Virus in «Cell»: https://www.cell.com/cell/pdf/S0092-8674(20)30675-9.pdf?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS0092867420306759%3Fshowall%3Dtrue

Chefarzt Wolfgang Wagner: https://www.muenchen-klinik.de/krankenhaus/schwabing/hals-nasen-ohren/arzt-spezialist-hno-hals-nasen-ohrenarzt/wolfgang-wagner/ (archiviert: http://dpaq.de/6dggY)

Infos zur Blut-Hirn-Schranke auf «netdoktor.de»: https://www.netdoktor.de/anatomie/gehirn/blut-hirn-schranke/ (archiviert: http://dpaq.de/kEKx3)

Faktencheck zum Thema der «BBC»: https://www.bbc.com/news/53443429 (archiviert: http://dpaq.de/hFqj3)

Faktencheck zum Thema von «AP»: https://apnews.com/afs:Content:9084880850 (archiviert: http://archive.vn/4XeDU)

Faktencheck der dpa auf Französisch: https://dpa-factchecking.com/belgium/200717-99-833567/

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-luxembourg@dpa.com