Falsche Zahlen: Nicht Schwarze töten in den USA die meisten weißen Mordopfer

03.06.2020, 11:30 (CEST)

Ein fünf Jahre alter Facebook-Post ist nach den Protesten gegen Rassendiskriminierung in den USA und gegen rassistisches Handeln der dortigen Polizei wieder in den sozialen Medien aufgetaucht. Darin wird behauptet, Schwarze hätten 81 Prozent der weißen Mordopfer auf dem Gewissen (http://dpaq.de/DdVY8). Von den in den USA ermordeten Schwarzen sei nur ein Prozent von der Polizei getötet worden, weitere 2 Prozent von Weißen - 97 Prozent der Afroamerikaner seien von anderen Schwarzen umgebracht worden.

BEWERTUNG: Die Zahlenangaben sind erfunden. Mit der im Posting enthaltenen Kommentierung «Und die Weißen sind das Problem?» wird ein falscher Bezug zu den Unruhen in den USA hergestellt.

FAKTEN: Die Grafik mit den angeblichen Zahlen aus der US-Kriminalstatistik 2015 wurde am 22. November 2015 vom damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump ohne irgendwelche Kommentare oder Bemerkungen geteilt. Die Grafik zeigt einen mit einem Halstuch maskierten und mit einer Pistole bewaffneten Schwarzen in einer Art Kampfanzug.

Neben der Figur sind folgende Zahlen aufgelistet:
«Von Weißen getötete Schwarze etwa 2 Prozent
Von der Polizei getötete Schwarze etwa 1 Prozent
Von der Polizei getötete Weiße etwa 3 Prozent
Von Weißen getötete Weiße etwa 16 Prozent
Von Schwarzen getötete Weiße etwa 81 Prozent
Von Schwarzen getötete Schwarze etwa 97 Prozent»

Als Quelle wird ein «Crime Statistics Bureau - San Francisco» genannt.

Trumps Re-Tweet fand 2015 in den US-Medien große Beachtung und löste Empörung aus. In Trumps Twitter-Timeline sind heute zwar der Eintrag und die Reaktionen darauf vorhanden, die umstrittene Grafik wurde jedoch entfernt (http://dpaq.de/cJ2iJ). Nach Recherchen der Plattform «littlegreenfootballs.com» war die Grafik zuvor von einem Anhänger der rechtsextremen White Supremacists mit dem kurz darauf gelöschten Twitter-Account «@CheesedBrit» verbreitet worden (http://dpaq.de/jpjjg).

Die fünf Jahre alte Grafik wurde am 1. Juni 2020 - nach Plünderungen und Demonstrationen gegen Polizeigewalt gegen Schwarze - mit dem Kommentar «Und die Weißen sind das Problem?» bei Facebook erneut geteilt. Die in der Grafik aufgestellten Behauptungen sind falsch.

Ein «Crime Statistics Bureau» gibt es in San Francisco nicht. Zahlen für das Jahr 2015 können auch während des Jahres 2015 noch nicht vorgelegen haben. Die Verwaltung von Stadt und County San Francisco stellt zahlreiche Daten über die Arbeit der Polizei bereit, allerdings keine, die den in der Grafik verbreiteten ähnlich sind (http://dpaq.de/uXyIr).

Von den gut 328 Millionen US-Bürgern waren laut US Census Bureau drei Viertel (76,5 Prozent) Weiße, 13,4 Prozent waren Afro-Amerikaner (http://dpaq.de/cu6qK).

Nach Angaben des FBI wurden 2015 in den USA genau 13 455 Morde begangen. Demnach haben schwarze Männer im Jahr 2015 rund 36 Prozent aller Morde verübt, weiße Männer 30 Prozent. 52 Prozent der Mordopfer waren schwarze Männer, der Anteil weißer Männer lag bei 43 Prozent (http://dpaq.de/87iqn).

Den FBI-Zahlen zufolge wurden 81 Prozent der weißen Mordopfer von einem weißen Täter umgebracht. 89 Prozent der schwarzen (afroamerikanischen) Opfer wurden von schwarzen Tätern ermordet. Die in dem Facebook-Posting genannten Zahlen sind also falsch. Insbesondere hinsichtlich der Ermordung Weißer durch Schwarzer werden die Zahlen ins Gegenteil verkehrt.

Das Facebook-Posting stellt auf einen Zusammenhang zwischen den Protesten und Unruhen in den USA und den Mord-Zahlen ab. Tatsächlich richten sich die Proteste aber vor allem gegen den als rassistisch empfundenen Umgang der Polizei mit der afroamerikanischen Bevölkerung und eine de facto nach wie vor vorhandene Rassendiskriminierung.

Offizielle Zahlen für die gesamten USA zu «exzessiver Gewalt» durch Polizisten gibt es nicht, weil es kein einheitliches nationales Meldesystem und daher auch keine US-weite Datenbasis gibt. Die Bundespolizei FBI arbeitet an der Durchsetzung einheitlicher Berichterstattung seitens der Polizeibehörden, verfügt aber bisher auch nicht über umfassende belastbare Daten (http://dpaq.de/3KHhf).

Als seriöse Quelle zu Polizeiaktionen mit tödlichem Ausgang gilt unter anderem die Webseite «Fatal Encounters», auf der Informationen aus einer Vielzahl öffentlich zugänglicher Quellen gesammelt werden. Demnach kamen seit 2000 genau 13 337 Weiße durch Polizisten zu Tode, zumeist durch Waffengewalt. Im gleichen Zeitraum gab es 7612 afroamerikanische Opfer (http://dpaq.de/bEGVs). Das bedeutet angesichts des großen «weißen» und vergleichsweise geringen «schwarzen» Bevölkerungsanteils, dass die Wahrscheinlichkeit, bei einem Aufeinandertreffen mit Polizisten ums Leben zu kommen, für einen Schwarzen deutlich höher ist als für einen Weißen.

Diese Feststellungen werden im Wesentlichen von anderen Untersuchungen bestätigt. In einer 2016 veröffentlichten Studie von Wissenschaftlern aus Atlanta und New York auf der Grundlage von Zahlen der Jahre 2009 bis 2012 heißt es, der Anteil von Schwarzen an der Zahl von tödlichen Zwischenfällen mit der Polizei sei «unverhältnismäßig hoch». Dabei seien Schwarze seltener bewaffnet gewesen als Weiße (http://dpaq.de/PDVhs).

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LINKS:

Posting bei Facebook: https://www.facebook.com/emmi.maus.9828/posts/246063950176563

Posting bei Facebook, archiviert: http://archive.vn/p8dJd

Weiteres Posting: https://www.facebook.com/fapsr/posts/3547280625289180

Tweet von Donald Trump: https://twitter.com/realdonaldtrump/status/668520614697820160

Littlegreenfootballs.com: http://littlegreenfootballs.com/article/45291_We_Found_Where_Donald_Trumps_Black_Crimes_Graphic_Came_From

Stadt San Francisco: https://datasf.org/opendata/

US Census Bureau: https://www.census.gov/quickfacts/fact/table/US/PST045219

FBI zu Morden 2015: https://www.ncjrs.gov/ovc_archives/ncvrw/2017/images/en_artwork/Fact_Sheets/2017NCVRW_Homicide_508.pdf

Fatal Encounters: https://fatalencounters.org/our-visualizations/

FBI zu Datenbasis: https://www.fbi.gov/services/cjis/ucr/use-of-force

Studie über Tote durch Polizei: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6080222/