Migration

Charterflüge sind Teil von Aufnahmeprogrammen für gefährdete Afghanen

14.4.2025, 18:18 (CEST), letztes Update: 14.4.2025, 21:19 (CEST)

Weitere Flüge mit Afghanen sollen in Deutschland landen. An den Flügen entzündet sich häufiger eine Debatte um Migration. Dabei handelt es sich um Aufnahmeprogramme für gefährdete Afghanen.

Die mediale Aufmerksamkeit ist in den vergangenen Monaten immer wieder groß, wenn Flüge ankommen, mit denen die Bundesregierung ausgewählte gefährdete Afghanen aufnimmt. In einem Facebook-Post wird nun behauptet, dass ein weiterer Flieger landen soll, obwohl CDU und SPD einen Aufnahmestopp angekündigt hätten. Auch wird in Frage gestellt, ob die Personen, die nicht als Ortskräfte gearbeitet haben, in Afghanistan wirklich gefährdet sind.

Bewertung

SPD und CDU/CSU haben zwar in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme «soweit wie möglich beenden» zu wollen. Aber das ist der Plan der künftigen Bundesregierung. Daraus folgt kein sofortiger Aufnahmestopp für die Programme. Nicht nur ehemaligen Ortskräften drohen in Afghanistan Repressionen.

Fakten

Im Koalitionsvertrag von SPD und Union heißt es: «Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme so weit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen.» Doch die neue Regierung ist noch nicht im Amt.

Im Jahr 2025 sind bisher 605 besonders gefährdete Personen aus Afghanistan eingereist, teilt das Bundesinnenministerium auf Anfrage der dpa schriftlich mit. Dabei handele es sich ausschließlich um Personen, die bereits eine Aufnahmezusage erhalten haben. Neue Aufnahmezusagen würden nicht erteilt.

Aufnahmezusagen nur für besonders gefährdete Afghanen möglich

Der Facebook-Beitrag bezieht sich auf einen Bericht der «Bild». Demzufolge ist für Mittwoch ein weiterer Flug geplant. Unter den 162 Passagieren seien demnach nur fünf Ortskräfte und deren 19 Familienangehörige. Das Ministerium äußerte sich zu den konkreten Flügen und Passagierzahlen nicht.

Über einen Flug, der im Februar angekommen ist, schreibt der Facebook-Nutzer weiter: «An Bord waren gerade einmal fünf ehemalige Ortskräfte, die in ihrer Heimat tatsächlich unter Lebensgefahr stehen.» Die Einschätzung, welche Afghanen von radikal-islamistischen Gruppierungen verfolgt werden, ist so pauschal falsch. Das verdeutlichen Berichte über die Lage in Afghanistan. Das Auswärtige Amt schreibt auf dpa-Anfrage: «Bei allen Personen auf den Flügen handelt es sich um Personen, die sich in Afghanistan für Menschenrechte, Frauenrechte, Religionsfreiheit, kurzum für ein demokratisches Afghanistan eingesetzt haben. Sie alle werden von den Taliban verfolgt.»

Schutz für Verfolgte sowie Frauen- und Menschenrechtsaktivisten

Mit den Charterflügen der Bundesregierung werden nicht nur die zugesagten Aufnahmen für sogenannte Ortskräfte, also ehemalige Mitarbeiter deutscher Behörden oder der Bundeswehr, umgesetzt, sondern es ist auch weiteren gefährdeten Afghanen möglich, nach Deutschland auszureisen.

Das Bundesaufnahmeprogramm richtet sich unter anderem an Frauen- und Menschenrechtsaktivisten, Journalisten oder andere Afghanen, die aufgrund ihrer Tätigkeiten besonders gefährdet sind. Auch Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder Religion verfolgt werden, gehören dazu. Sie müssen für eine Aufnahme festgelegte Kriterien erfüllen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüft jeden einzelnen Fall.

Innenministerium: «Strenge Aufnahme- und Sicherheitskritierien»

Wer mit dem Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland ausreisen will, muss vorher «strenge Aufnahme- und Sicherheitskriterien» erfüllen, heißt es vom Bundesinnenministerium. Dazu gehören unter anderem Befragungen durch deutsche Sicherheitsbehörden. Die Verfahren sind oft langwierig.

Viele Betroffene müssen monatelang auf Antworten deutscher Behörden warten - unter anderem in Pakistan. Dort droht ihnen inzwischen vermehrt die Abschiebung nach Afghanistan durch pakistanische Behörden. Momentan befinden sich noch etwas mehr als 2.600 Afghanen in in Pakistan in verschiedenen Schritten von Ausreiseverfahren, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Zweifel an Sicherheit des Verfahrens

Die Deutsche Polizeigewerkschaft und der CDU-Politiker Carsten Linnemann äußerten Zweifel an den Sicherheitsüberprüfungen. Linnemann sagte bei Welt TV: «Ich habe gesehen, dass Flieger nach Deutschland kommen, zum Teil nicht sicherheitsüberprüft.»

Das Bundesinnenministerium teilte grundsätzlich zur Aufnahme mit: «Alle Personen werden vor der Einreise strikt überprüft. Dazu finden u.a. detaillierte Sicherheitsbefragungen statt. Außerdem werden alle den Sicherheitsbehörden zu Personen vorliegenden Erkenntnisse überprüft.» Sollte es Anhaltspunkte geben, die zu Sicherheitsbedenken führen, sei eine Aufnahme oder Einreise nach Deutschland ausgeschlossen. Nachdem die deutsche Botschaft in Pakistan und Sicherheitsbehörden über die Ausreise entschieden haben, überprüfen Bundespolizisten kurz vor dem Einstieg ins Flugzeug erneut die Ausweispapiere der gefährdeten Afghanen, teilt das Auswärtige Amt mit.

Persönlicher Bezug zur geschäftsführenden Bundesaußenministerin

Unter dem Foto kommentiert der Verfasser des Facebook-Posts schließlich weiter: «Diese Programme hat die danach abgewählte Baerbock noch schnell vor den Wahlen vereinbart.» Doch die Programme sind deutlich älter.

Die ersten Aufnahmeprogramme wurden im Zeitraum um die Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 geschaffen. Insgesamt sind seit 2021 über alle Aufnahmeprogramme etwa 36.000 Ortskräfte und andere gefährdete Afghanen nach Deutschland gekommen.

Das Bundesaufnahmeprogramm war Mitte Oktober 2022 mit dem Ziel gestartet, monatlich bis zu 1.000 gefährdete Afghanen aufzunehmen. Dieses Ziel wurde weit verfehlt: Tatsächlich sind seit Programmstart nach Angaben des Innenministeriums insgesamt nur 1.437 gefährdete Afghanen mit dem Bundesaufnahmeprogramm eingereist.

Bereits erteilte Aufnahmezusagen im Bundesaufnahmeprogramm sind rechtlich verbindlich, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Weitere Zusagen würden nicht erteilt. Wie es mit dem Aufnahmeprogramm weitergeht, müsse die künftige Bundesregierung entscheiden.

(Stand: 14.4.2025)

Links

Facebook-Post (archiviert)

«Bild»-Artikel (archiviert)

Nius (archiviert)

Welt TV (archiviert)

Bundesinnenministerium (archiviert)

Bundesaufnahmeprogramm FAQ (archiviert)

Koalitionsvertrag (archiviert)

dpa-Faktencheck

Zeit Online (archiviert)

Deutsche Polizeigewerkschaft (archiviert)

NDR zu Sicherheitsinterviews (archiviert)

NDR zur Verfolgungslage vor Ort (archiviert)

«Tagesschau» (archiviert)

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