Falscher Kontext
Bilder zeigen Protest in Serbien, nicht in Rumänien
20.3.2025, 14:09 (CET)
Nach der Annullierung der Präsidentschaftswahlen in Rumänien ist das Schwarzmeerland in Aufruhr. In sozialen Netzwerken teilen Nutzer nun Aufnahmen, die eine große Demonstration zeigen sollen. Dazu schreiben sie: «Rumänien nach dem offenen Wahlbetrug der EU». Auf verbreiteten Bildern und Videos ist dazu eine Menschenansammlung zu sehen, Personen halten offenbar Taschenlampen hoch. Der Protest richte sich also angeblich gegen die Europäische Union (EU). Stimmt das?
Bewertung
Falscher Kontext. Die Bilder zeigen eine Demonstration in Serbien, nicht in Rumänien. Außerdem erklärte das Oberste Gericht Rumäniens die Präsidentschaftswahlen für ungültig - nicht die EU.
Fakten
Bei dem verbreiteten Bild handelt es sich um einen Screenshot aus dem ebenfalls kursierenden Video. Mithilfe von Bilderrückwärtssuchen lassen sich weitere Beiträge mit dem Clip finden. So heißt es etwa in einem Post vom 15. März 2025 auf der Plattform X mit über 3,5 Millionen Aufrufen, das Video zeige Proteste in der serbischen Hauptstadt Belgrad gegen den Präsidenten Aleksandar Vucic.
Das Video ist tatsächlich in Belgrad entstanden: Die Demonstranten stehen darin auf dem zentral gelegenen Slavija-Platz und in einem angrenzenden Park. Das zeigt ein Abgleich mit Aufnahmen bei Online-Kartendiensten. Darauf lassen sich beispielsweise dieselben Gebäude im Hintergrund wiederfinden.
Proteste nach Unglück richten sich gegen Korruption der Regierenden
Am Samstag, 15.März, hatten sich zahlreiche Menschen im Zentrum von Belgrad versammelt: Hunderttausende folgten dem Aufruf der studentischen Protestbewegung unter dem Motto «Am 15. für die 15», berichtete der Nachrichtensender N1. Beobachter bezeichneten die Kundgebung am 15. März als die größte Demonstration in der Geschichte des Balkanlandes.
Das Motto spielt auf ein Unglück in der nordserbischen Stadt Novi Sad vom 1. November an, bei dem ein Bahnhofsvordach nach einem Umbau einstürzte und 15 Menschen ums Leben kamen. Die Teilnehmer der Proteste machen die Korruption der Regierenden unter dem teils autoritär herrschenden Präsidenten Aleksandar Vucic für das Unglück in Novi Sad verantwortlich. Sie fordern aber nicht den Rücktritt von Politikern, sondern die konsequente Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und die Bestrafung von korrupten Akteuren.
Das im Netz verbreitete Video zeigt diesen Protest in Serbien. Mit der aktuellen Situation in Rumänien hat das Video nichts zu tun.
Rumänisches Gericht annullierte Wahl - nicht die EU
In der rumänischen Hauptstadt Bukarest waren an besagten Samstag ebenfalls zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen - um ihre Unterstützung für die Europäische Union zu zeigen. Hintergrund des Protests sind die Spannungen in dem Land angesichts der Präsidentschaftswahlen.
Der bis dahin weitgehend unbekannte prorussische und rechtsextreme Politiker Calin Georgescu hatte die erste Runde der Präsidentenwahl am 24. November des Vorjahres überraschend für sich entschieden. Kurz vor der Stichwahl annullierte das rumänische Verfassungsgericht die erste Runde jedoch. Es habe Unregelmäßigkeiten bei der Wahlkampffinanzierung gegeben, ebenso wurden Vorwürfe russischer Einflussnahme zugunsten Georgescus laut.
Die Wahl soll am 4. Mai wiederholt werden. Eine neue Kandidatur Georgescus wies das zentrale Wahlbüro Anfang März ab, was das Verfassungsgericht kürzlich bestätigte. Gegen Georgescu wird derzeit wegen des Verdachts auf Anstiftung zu verfassungsfeindlichen Handlungen, falschen Angaben zur Wahlkampffinanzierung und Gründung einer faschistischen und antisemitischen Organisation ermittelt. Seine Anhänger hatten zuletzt ebenfalls Tausende Menschen für Demonstrationen mobilisiert, es kam auch zu Randale.
Nach der Annullierung behaupteten Nutzer fälschlicherweise, die Entscheidung stamme von der EU, wie ein dpa-Faktencheck zeigt - doch es war das Oberste Gericht Rumäniens, das die Wahl für ungültig erklärt hat. Seitdem kursiert auch die Verschwörungserzählung, die Präsidentenwahl sei auf Druck der EU für ungültig erklärt worden. Doch dafür fehlen Belege. Auch der im falschen Kontext mit Rumänien geteilte Clip aus Belgrad soll dieses Narrativ offenbar stärken.
(Stand: 19.3.2025)
Links
X-Post vom 15. März 2025 (archiviert / archiviertes Video)
Aufnahmeort des Videos bei Goole Maps
Aufnahmen von Umgebung bei Google Street View (archiviert)
dpa-Bericht vom 15. März 2025 via «Handelsblatt» (archiviert)
Live-Blog vom Nachrichtensender N1 (archiviert)
Reuters-Bericht vom 15. März 2025 (archiviert)
dpa-Meldung vom 11. März 2025 via «FAZ» (archiviert)
dpa-Meldung vom 1. März 2025 via «Spiegel» (archiviert)
Bericht über Randale nach Wahlbüro-Entscheidung (archiviert)
dpa-Faktencheck zur Annullierung der Wahl
Wie eine Bilderrückwärtssuche funktioniert (archiviert)
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