Irreführende Interpretation
Befragte lebten teils schon seit Jahrzehnten in Schweden
24.2.2025, 14:28 (CET), letztes Update: 24.2.2025, 15:40 (CET)
In Debatten über Migration spielen Zahlen häufig eine große Rolle. Eine in sozialen Medien verbreitete schwedische Umfrage soll zum Beispiel ergeben haben: 79 Prozent der befragten Asylbewerber in Schweden seien nach der Einreise zurück in ihr Herkunftsland gereist. Doch stimmt das wirklich? Und was steckt hinter dieser Erhebung?
Bewertung
Die Ergebnisse der Umfrage werden irreführend wiedergegeben. Die Teilnehmer wurden nicht nach ihrem Aufenthaltsstatus befragt. Die Befragung zielte generell auf im Ausland geborene Menschen ab - das sind nicht nur Asylbewerber.
Fakten
Die Umfrage wurde vom schwedischen Meinungsforschungsinstitut Novus im Zeitraum vom 18. bis 24. August 2022 im Auftrag des Magazins Bulletin durchgeführt. Befragt wurden 1.050 im Ausland geborene Personen in Schweden. Die zentrale Frage lautete: «Haben Sie Ihr Heimatland besucht?» 85 Prozent der Befragten bejahten dies.
Die Teilnehmer wurden nicht nach ihrem Aufenthaltsstatus in Schweden befragt, sondern lediglich nach ihrem Geburtsland. Es ist also völlig unklar, ob es sich bei den Befragten überhaupt um Asylsuchende gehandelt hat. Viele der befragten Menschen stammen aus Nachbarländern wie Finnland, Norwegen, Dänemark und auch Deutschland, für die ein Besuch in ihrem Heimatland weder ungewöhnlich noch problematisch ist.
Viele Teilnehmer lebten seit Jahrzehnten in Schweden
Novus identifizierte lediglich 183 der 1.050 Befragten als Personen, die «wahrscheinlich» ursprünglich als Asylbewerber nach Schweden gekommen waren. Diese Einordnung basiert jedoch auf Annahmen und nicht auf expliziten Angaben der Teilnehmer. Von diesen 183 Menschen gaben 79 Prozent an, ihr Heimatland besucht zu haben.
Die Mehrheit dieser Gruppe war nicht erst in den letzten Jahren nach Schweden gekommen, sondern bereits in den 1970er bis 1990er Jahren. Sie kamen im Zusammenhang mit dem chilenischen Militärputsch (1973-1979), dem Zusammenbruch der Sowjetunion (1991) oder den Kriegen in Jugoslawien (1991-2001). Da diese Menschen bereits seit Jahrzehnten in Schweden leben, ist es wenig überraschend, dass sie ihre Heimatländer besucht haben.
Viele von ihnen haben sich in Schweden integriert, Karrieren aufgebaut, Familien gegründet und sprechen fließend Schwedisch. Die sicherheitspolitische Lage in ihren Herkunftsländern hat sich seit ihrer Flucht oftmals stabilisiert, sodass ein Besuch möglich wurde. Dies unterscheidet sich grundlegend von der falschen Vorstellung, dass aktuelle Asylbewerber unmittelbar nach ihrer Einreise wieder in ihre Herkunftsländer reisen.
Meinungsforschungsinstitut wehrt sich gegen Fehlinterpretationen
Trotzdem verbreitete sich die irreführende Interpretation in den sozialen Medien, auch US-Milliardär Elon Musk teilte die Behauptung, wonach bei der Befragung Asylsuchende befragt wurden. Bereits im Dezember 2024 wehrte sich das schwedische Meinungsforschungsinstitut in einer Stellungnahme, um «Klarheit über die Fehlinterpretationen zu schaffen, die über das Ergebnis verbreitet wurden.»
Im Januar 2025 folgte ein Interview in der britischen BBC mit Hjalmar Strid, der die Befragung durchgeführt hatte, und Tino Sanandaji von Bulletin, der Nachrichtenseite, bei der die Umfrage veröffentlicht wurde. «Wir haben mit Menschen gesprochen, die in der Regel nach dem Krieg in Jugoslawien, aus Chile, nach dem Zusammenbruch des Sowjetblocks und aus Osteuropa gekommen sind, also aus Ländern, in denen die Situation nicht mehr dieselbe ist wie früher», so Strid.
(Stand: 23.2.2025)
Links
Ruhr-Universität zum Fall (archiviert)
Informationen über das Meinungsforschungsinstitut (archiviert)
BBC-Interview mit Forschenden der Studie (archiviert)
Stellungnahme des Meinungsforschungsinstitut (archiviert)
Schwedischer Artikel mit Ergebnissen der Befragung (archiviert)
Artikel mit Behauptung (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.