Statistik falsch ausgelegt

Merz übertreibt bei Zahlen zu sexueller Gewalt Zugewanderter

3.2.2025, 15:03 (CET)

Klimakrise, Kinderarmut, Bildungschancen, marode Brücken und Bahnlinien - es gäbe viele Themen für den Wahlkampf. Doch dominant diskutiert wird über Asylpolitik - manchmal mit falschen Zahlen.

Mit einer Aussage über sexuelle Gewalt von Zugewanderten hat Unionsfraktionschef Friedrich Merz ein Raunen im Plenum des Deutschen Bundestages ausgelöst. In Deutschland gebe es «täglich stattfindende Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber heraus», sagte der CDU-Partichef am 31. Januar 2025 vor den Abgeordneten. Diese Behauptung findet auch in sozialen Medien Anklang und wird etwa von der früheren Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) verbreitet.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Der Polizeistatistik zufolge liegt die Zahl der Gruppenvergewaltigungen mit tatverdächtigen Asylbewerbern deutlich niedriger.

Fakten

Damit die Merz-Aussage stimmt, müsste es im Jahr mindestens 365 Fälle von Gruppenvergewaltigungen geben, bei denen ein Asylbewerber tatverdächtig ist. Doch über eine Sonderauswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) vom Juni 2024 zu genau diesem Thema, auf die auch die Unionsfraktion auf dpa-Anfrage verweist, lässt sich diese Aussage nicht belegen.

In Deutschland hat es dieser PKS-Auswertung zufolge (s. Antwort auf Frage 1) im Jahr 2023 insgesamt 761 Gruppenvergewaltigungen gegeben, die bei der Polizei angezeigt wurden - also rund zwei täglich. Bei den meisten (aber nicht allen) Taten sind Männer verdächtig.

Von den 990 erfassten Tatverdächtigen besaßen demnach 520 (52,5 Prozent) die deutsche Staatsbürgerschaft, die restlichen 470 Tatverdächtigen (47,5 Prozent) waren Ausländer (s. Antworten auf Fragen 8a und 8b).

Grob könnte man daraus ableiten, dass eine der beiden täglichen Taten im Schnitt von einem oder einer Nicht-Deutschen begangen wurde.

Aber: Zuwanderer, zu denen die PKS neben Asylbewerbern auch Schutz- und Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge, Menschen mit Duldung oder mit unerlaubtem Aufenthalt zählt (S. 4.), sind nur ein kleiner Teil dieser Gruppe. Ausländer können genauso Geschäftsleute, Touristen oder Studierende sein, die in Deutschland eine solche Straftat begehen.

Anteil der Zuwanderer bei diesen Straftaten bei 14,1 Prozent

Der Anteil von Zuwanderern unter allen Tatverdächtigen war 2023 der PKS-Sonderauswertung zufolge (s. Antwort auf Frage 8c) auf 14,1 Prozent gesunken. Das waren 145 Männer und eine Frau. Sie können bei insgesamt 761 entsprechenden Taten also nicht jeden Tag eine Gruppenvergewaltigung begangen haben.

Grundsätzlich ist zu bedenken: Die PKS trifft keinerlei Aussage darüber, ob eine Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde der Auffassung der Polizei etwa in Bezug auf die Tatverdächtigen oder die mutmaßlich begangene Tat folgt. Auch gibt diese Statistik keine Auskunft, ob die Tatverdächtigen später von einem Gericht schuldig gesprochen werden oder nicht.

Merz hatte bereits im September 2024 davon gesprochen, dass es «im Jahresdurchscnitt zwei Gruppenvergewaltigungen am Tag» gebe, «weit über die Hälfte davon von Migranten ausgeübt». Auch damals stand die Behauptung den tatsächlichen Zahlen entgegen.

(Stand: 3.2.2025)

Links

PKS-Sonderauswertung vom 3.6.2024 (archiviert)

PKS mit Definition «Zuwanderer», S. 53 (archiviert)

Merz-Rede im Bundestag am 31.1.2025, Zitat ab 8:17 Min. (archiviert)

X-Post von Kristina Schröder (archiviert)

Facebook-Post mit Falschbehauptung (archiviert)

Merz-Rede am 4.9.2024 in Brandenburg (archiviert)

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