Konsum unbedenklich

Futtermittelzusatz hat keine Auswirkungen auf Milchqualität

17.12.2024, 17:02 (CET)

Immer wieder stehen Lebensmittel wegen angeblicher Gesundheitsrisiken in der Kritik. Aktuell geht es um Milch von Kühen, die mit dem Zusatz Bovaer gefüttert werden. Doch Experten geben Entwarnung.

Trotz der wachsenden Popularität pflanzlicher Alternativen bleibt Kuhmilch für viele Haushalte ein unverzichtbarer Bestandteil des Alltags. Sie bildet auch die Basis für zahlreiche Milchprodukte wie Käse, Joghurt oder Butter. Doch birgt der Konsum dieser Produkte Gesundheitsgefahren?

In den sozialen Medien verbreitet sich die Behauptung, der Futtermittelzusatz Bovaer hätte sich in Forschungen als giftig für die DNA herausgestellt und bei Ratten negativ auf die Spermienproduktion ausgewirkt. Auch die Datenbank PubMed stufe Boevar als «ätzend und gesundheitsschädlich» ein, heißt es in einem Post. Zudem soll Bill Gates über fünf Millionen Dollar für den Futterzusatz an die Firma DSM-Firmenich, die den Stoff verkauft, gespendet haben. Doch ist der Stoff tatsächlich gefährlich für den Menschen und gab es eine Spende des Microsoft-Gründers?

Bewertung

Nein. Die Behauptungen sind irreführend und stützen sich auf eine Fehlinterpretation von Studien. Milch von Kühen, die mit dem Futtermittelzusatz Bovaer gefüttert wurden, ist für den menschlichen Verzehr unbedenklich. Es gibt zudem keine Hinweise auf eine Verbindung zwischen Bill Gates und Bovaer.

Fakten

Boaver ist ein Futtermittelzusatzstoff, der die Methanemissionen von Kühen erheblich reduzieren soll. Methan gilt als eines der stärksten Treibhausgase. Es wird unter anderem von Mikroben in den Mägen von Kühen produziert. 3-NOP, der Wirkstoff in Bovaer, hemmt ein bestimmtes Enzym, das für die Methanbildung verantwortlich ist. Die Zugabe von einem Viertel Teelöffel dieses Zusatzstoffs zum täglichen Speiseplan einer Kuh soll nach Angaben des Herstellers die Methanemissionen um mindestens 30 Prozent reduzieren.

Risiko nur bei direktem Kontakt mit unverdünntem Staub

Als Beweis für die angebliche Gesundheitsgefahr von 3-NOP wird angegeben, die US-amerikanische Datenbank PubMed hätte den Wirkstoff als «ätzend und gesundheitsschädlich» eingestuft. Die Datenbank wird von der National Library of Medicine (NLM) betrieben, die Teil des National Institutes of Health (NIH) ist. Das NIH ist eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums.

Tatsächlich finden sich solche Hinweise zu 3-NOP in der PubMed-Datenbank. Sie gelten jedoch nur für Menschen, die direkt mit dem unverdünnten Staub in Kontakt kommen. Es wird daher empfohlen, eine Schutzbrille, eine Staubmaske und undurchlässige Handschuhe zu tragen. Für den Konsum von Milchprodukten ist dies nicht relevant. Denn 3-NOP wird im Magen der Kühe vollständig abgebaut, so dass der Stoff nicht in die Milch gelangt.

Unabhängige Studien bewerten Futterzusatz als unbedenklich

Stattdessen wird ein Abbauprodukt von 3-NOP namens 3-Nitrooxypropionsäure (NOPA) gebildet. Geringe Mengen der NOPA gelangen in die Milch. Studien haben aber gezeigt, dass auch NOPA nicht genotoxisch ist, es also keine Schäden an der menschlichen DNA verursacht. Mehrere internationale Behörden und Experten stufen 3-NOP und NOPA als ungefährlich ein.

Alastair Hay, Professor für Umwelttoxikologie an der University of Leeds, bestätigte dem Science Media Center, dass umfangreiche Tests gezeigt haben, dass der Zusatzstoff weder genotoxisch noch krebserregend ist. In Langzeitstudien bei männlichen Nagetieren wurden in hohen Dosierungen einige gutartige Veränderungen in Zellen festgestellt. Diese Zellen, die in verschiedenen Geweben vorkommen, können zu Binde-, Lymph-, Knochen- oder Knorpelgewebe werden.

Hay betont, dass es zwischen der bei Nagetieren beobachteten Dosis und der für Tiere zugelassenen sicheren Dosis einen Sicherheitsfaktor von 170 gibt. Das bedeutet, dass die für Nutztiere genehmigte Menge des Stoffes deutlich unterhalb der Werte liegt, die in den Nagetierstudien Veränderungen verursachten. Daher bestehe bei den zugelassenen Dosierungen kein Risiko für Nutztiere oder Menschen, die Milchprodukte konsumieren.

Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt, dass Bovaer für Kühe sicher und der Milchkonsum unbedenklich ist. Die EFSA arbeitet wissenschaftlich unabhängig von politischen, industriellen und Lobbyinteressen. Auch britische und kanadische Behörden für Lebensmittelsicherheit haben den Futtermittelzusatz geprüft und als sicher eingestuft.

Unternehmen dementiert Beteiligung von Gates

Gates äußerte sich in der Vergangenheit zu Lösungen gegen die Methanemissionen von Kühen. Im Januar 2023 investierte er in ein australisches Unternehmen, das ein Mittel zur Reduzierung von Methanemissionen entwickelt hat. Dabei handelt es sich aber nicht um die Firma DSM-Firmenich.

Es lassen sich keine Hinweise dafür finden, dass Bill Gates sich an der Entwicklung von Bovaer finanziell beteiligt hat. Nach Angaben auf der Website der Bill & Melinda Gates-Stiftung gab es eine Spende an DSM-Firmenich, allerdings für ein Mittel gegen Malaria.

Auch DSM-Firmenich bestreitet eine finanzielle Förderung von Gates für Bovaer. In einer Stellungnahme heißt es: «Im Gegensatz zu dem, was in den letzten Meldungen steht, wird Bovaer vollständig von dsm-firmenich entwickelt und ist im Besitz von dsm-firmenich und hat keine anderen Investoren. Bill Gates ist nicht an der Entwicklung von Bovaer beteiligt.»

Der Mitbegründer von Microsoft steht immer wieder im Mittelpunkt von Verschwörungserzählungen. Die Narrative haben vor allem während der Corona-Pandemie an Fahrt gewonnen. Einige Theorien behaupten, Gates wolle die Weltbevölkerung durch Impfstoffe kontrollieren oder überwachen, teils in Verbindung mit Mikrochips oder anderen Technologien. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat bereits mehrere solcher Behauptungen widerlegt.

(Stand: 16.12.2024)

Links

Informationen über Futterzusatz Bovaer (archiviert)

DSM-Firmenich-Stellungnahme zum Thema (archiviert)

PubChem-Sicherheitshinweise für 3-NOP (archiviert)

MPG zu Methan als Treibhausgas (archiviert)

Statements von Experten zum Thema (archiviert)

Bill Gates über Methanemissionen bei Kühen (archiviert)

Informationen über 3-Nitrooxypropionsäure (archiviert)

Britische Lebensmittelsicherheitsbehörde über 3-NOP (archiviert)

dpa-Faktencheck über Gates und Impfungen

dpa-Faktencheck über Gates und Krankheitsbekämpfung

DSM-Firmenich über Treibhausemissionen von Kühen (archviviert)

Informationen über PubChem (archiviert)

Gates-Förderung an DSM-Firmenich (archiviert)

Britische Regierung über Bovaer (archiviert)

Meldung über Zulassung von Bovaer in Kanada (archiviert)

Wissenschaftliches Gutachten der EFSA zu Bovaer (archiviert)

Guardian-Artikel über Gates-Investment (archiviert)

BBC-Artikel über Gates-Investment (archiviert)

Studie zu 3-NOP (archiviert)

Artikel mit Behauptung (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.