Sharepic von 2018
Weniger Länder planen neue Kohlekraftwerke
11.12.2024, 11:39 (CET), letztes Update: 11.12.2024, 11:43 (CET)
Die Debatte über Deutschlands künftige Energieversorgung hält auch nach dem Atomausstieg und dem geplanten Ende der Kohlenutzung an. In sozialen Medien wird das deutsche Vorgehen oft als Irrweg dargestellt, als Beleg dienen Vergleiche mit der weltweiten Energieerzeugung. Ein Sharepic behauptet nun, 59 Länder planten neue Kohlekraftwerke und 21 Länder neue Atomkraftwerke. Doch das stimmt nicht.
Bewertung
Falsch. Aktuelle Zahlen zeigen, dass in 40 Länder neue Kohlekraftwerke entweder geplant sind oder sich schon im Bau befinden. Neue Atomkraftwerke planen konkret mindestens 17 Länder, in weiteren 15 ist ein Bau zumindest angedacht.
Fakten
Geplante Kohlekraftwerke
Den besten Überblick über die weltweite Energieerzeugung durch Kohle bietet Global Energy Monitor, eine Nichtregierungsorganisation aus San Francisco. Der globale Kohlekraftwerks-Tracker der Organisation (Global Coal Plant Tracker) erfasst alle aktiven Kohlekraftwerke, alle seit 2010 vorgeschlagenen neuen Einheiten und alle seit 2000 stillgelegten. Die Zahlen werden auch von der Internationalen Energie-Organisation IEA verwendet, etwa in ihrem World Energy Outlook.
Die Erhebung vom Oktober 2024 (Tabelle Kohlekraftwerke nach Land (MW)) zeigt, dass in 33 Ländern neue Kohlekraftwerke in frühen Entwicklungsstadien sind, noch vor dem eigentlichen Baubeginn. In 21 weiteren Ländern sind bereits neue Kohlekraftwerke im Bau. Insgesamt ergibt sich so, nach Abgleich der Länder, dass in 40 Nationen neue Kohlekraftwerke entweder geplant oder bereits errichtet werden.
Für den Global Coal Plant Tracker werden Regierungs- und Unternehmensberichte, internationale Organisationen und Medienquellen ausgewertet. Zudem arbeitet Global Energy Monitor mit lokalen Netzwerken zusammen und nutzt Satellitenbilder zur Verifizierung. Nach Angaben der Organisation werden die Daten regelmäßig überprüft, um eine umfassende, transparente und aktuelle Übersicht über Kohlekraftwerke weltweit zu bieten.
Geplante Atomkraftwerke
Auch die Behauptung, 21 Länder planten neue Atomkraftwerke, entspricht nicht dem aktuellen Stand. Dem Industrieverband World Nuclear Association zufolge planen im Dezember 2024 nur 17 Länder neue Atomkraftwerke, vorwiegend in Asien. «In Planung» bedeutet nach dieser Definition, dass alle Genehmigungen und die Finanzierung gesichert sind und die Inbetriebnahme innerhalb der nächsten 15 Jahre erwartet wird. Zudem gibt es in 15 weiteren Ländern Vorschläge für neue Atomkraftwerke, aber noch keine Genehmigungen oder konkreten Pläne.
Sharepic mindestens seit 2018 im Umlauf
Seit 2018 kursieren verschiedene Sharepics mit dieser Behauptung in den sozialen Medien (hier Beispiele aus 2018, 2019, 2023) und seit 2019 auf der Meme-Website «debeste». Damals planten tatsächlich 59 Länder neue Kohlekraftwerke, während Deutschland über den Kohleausstieg verhandelte, wie das Handelsblatt berichtete. Das Sharepic ist also mindestens sechs Jahre alt.
Atom- und Kohlekraftwerke in Deutschland
Am 15. April 2023 wurden in Deutschland die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet: Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland. Damit endete der schrittweise Ausstieg, den Deutschland nach der Fukushima-Katastrophe 2011 beschlossen hatte. Die entstandene Stromlücke füllte man vor allem mit erneuerbaren Energien.
In Deutschland sind derzeit noch mehrere Kohlekraftwerke in Betrieb, die meisten befinden sich in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen. Deutschland plant, bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung auszusteigen. Geregelt ist das im Kohleausstiegsgesetz.
(Stand: 11.12.2024)
Links
Sharepic Facebook (archiviert)
Global Energy Monitor (archiviert)
Globaler Kohlekraftwerks-Tracker von Global Energy Monitor (archiviert)
IEA-Bericht mit Verweis auf Tracker (archiviert)
Erhebung Kohlekraftwerke nach Land Oktober 2024 (archiviert)
Methodik Global Coal Plant Tracker (archiviert)
World Nuclear Association (archiviert)
Bericht Handelsblatt von 2018 (archiviert)
Sharepic «debeste» (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.