Mobilfunk-Strahlung

Keine Belege für Gehirnmanipulation durch 5G

31.10.2024, 09:25 (CET)

In einem Video wird davor gewarnt, dass 5G-Netze auf Gehirnwellen einwirken und so ganze Gruppen von Menschen steuern können. Forscher sehen dafür keine Nachweise.

Die fünfte Generation der Mobilfunksysteme, bekannt unter der Abkürzung 5G, wird von vielen Menschen genutzt. Doch es sorgen sich auch manche, dass die elektromagnetische Strahlung der Gesundheit schaden könnte. In einem Video wird die Behauptung verbreitet, 5G-Strahlung wirke auf menschliche Gehirnwellen ein. Sogenannte Betawellen würden stimuliert; Alpha-, Delta- und Thetawellen würden dagegen unterdrückt. Diese Wellen seien aber wichtig für klares Denken und für die Gesundheit, gerade Delta- und Thetawellen seien «stark heilsam». Durch die Strahlung auf einzelne Wellen, so heißt es, könnten Menschen gezielt manipuliert werden.

Bewertung

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die elektromagnetischen Felder des Mobilfunks Gehirne einzelner Menschen oder gar ganzer Gruppen steuern können.

Fakten

Das Gehirn produziert elektrische Signale, die als Hirnwellen bezeichnet werden. Über diese Wellen können auch weiter entfernte Gehirnareale miteinander kommunizieren. Ärztinnen und Wissenschaftler verwenden Elektroenzephalografie (EEG), um Hirnwellen über Sensoren aufzuzeichnen.

In der Forschung werden verschiedene Frequenzbereiche der Hirnwellen unterschieden: Alpha, Beta, Gamma, Delta und Theta. Die Frequenzbereiche werden mit unterschiedlichen Aktivitätszuständen des Körpers in Verbindung gebracht. Alphawellen treten etwa im Wachzustand bei geschlossenen Augen besonders deutlich auf, Betawellen im aufmerksamen Zustand bei offenen Augen. Delta- und Thetawellen treten in verschiedenen Schlafstadien auf, Gammawellen werden mit konzentriertem Arbeiten in Verbindung gebracht.

Wie Mobilfunk funktioniert

Mobilfunk bedeutet, dass hochfrequente elektromagnetische Felder für eine drahtlose Übertragung von Daten genutzt werden. Die Stärke der Felder verringert sich bei doppeltem Abstand auf ein Viertel. Deshalb wirkt das elektromagnetische Feld zum Beispiel stärker auf das Gehirn, wenn man das Smartphone direkt ans Ohr hält, und schwächer bei einem Telefonat mit Kopfhörern.

Die Mobilfunkgeneration 5G kann seit 2019 in Deutschland genutzt werden. Damit können große Datenmengen schneller und zuverlässiger übertragen werden als mit älteren Standards. Das 5G-Netz wurde teilweise auf der bestehenden Infrastruktur aufgebaut, nutzt zum Teil aber auch höhere Frequenzen. Je höher der Frequenzbereich, desto niedriger die Reichweite.

Forschungsstand zu 5G

Die elektromagnetische Strahlung des Mobilfunks wird vom Körper absorbiert und hat in erster Linie eine thermische Wirkung. Das Gewebe wird also erwärmt. Um gesundheitliche Gefahren dadurch auszuschließen, wird die Einhaltung der Grenzwerte in Deutschland kontrolliert.

Einige Menschen berichten dennoch von Problemen, die sie auf 5G oder auch allgemeiner auf elektromagnetische Felder in ihrer Umgebung zurückführen. Betroffene nennen das auch Elektrosensibilität. Anerkannte medizinische Nachweise für einen solchen Zusammenhang gibt es laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) allerdings nicht.

Grundsätzlich werden die hochfrequenten elektromagnetischen Felder im Milli- oder Zentimeterwellenbereich laut BfS sehr nahe an der Körperoberfläche absorbiert. Denkbare gesundheitliche Folgen «betreffen also Haut und Augen, direkte Wirkungen auf innere Organe sind nicht zu erwarten», schreibt die Behörde.

Menschen, die sich wegen Strahlenbelastung sorgen, empfinden mitunter ihren Schlaf und ihre Konzentrationsfähigkeit durch Mobilfunkstrahlung als gestört. Mehrere Studien (etwa aus dem Jahr 2010 und 2022) deuten allerdings darauf hin, dass nicht die tatsächliche Strahlung, sondern die Angst davor den Schlaf der Probanden beeinträchtigt. Eine Studie aus dem Jahr 2024 konnte außerdem keinen Abfall der kognitiven Leistungsfähigkeit durch Kontakt mit elektromagnetischen Feldern nachweisen.

Das BfS geht davon aus, dass sich viele wissenschaftliche Erkenntnisse aus früheren Mobilfunkstudien auf 5G übertragen lassen - sieht aber auch noch Forschungsbedarf. So soll künftig geprüft werden, wie sich eine steigende Zahl von Sendeanlagen auf Menschen auswirkt. Auch die biologische Wirkung der höheren 5G-Frequenzbereiche soll weiter erforscht werden.

Wie das Gehirn beeinflusst werden kann

Die gezielte Stimulation von Hirnbereichen bedürfe wesentlich höherer Intensitäten, sagt der Neurologe Walter Paulus von der Universität München. Dazu nutzten Forscher etwa Methoden wie die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) mit kurzen Magnetimpulsen über der gewünschten Zielregion. Alternativ würden schwache Ströme über Elektroden - in der Größenordnung einer Neun-Volt-Batterie - appliziert. Die Wirkung lasse sich unter anderem über das EEG messen, wobei einzelne Hirnwellen sich überlagern und auch auslöschen könnten.

Diese Techniken würden bislang etwa in der Therapie von Depressionen angewendet, sagt Paulus, der auch Vorsitzender der Kommission «Transkranielle Magnetstimulation» bei der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) ist. Auch in Studien zur Behandlung von motorischen Störungen werden sie laut DGKN erprobt.

(Stand: 30.10.2024)

Links

Facebook-Video (archiviert)

Bundesamt für Strahlenschutz über 5G (archiviert)

MSD Manual zu EEG (archiviert)

DGKN zu Frequenzbereichen (archiviert)

Amboss zur Interpretation des EEG (archiviert)

Spektrum zu Gehirnwellen (archiviert)

Bundesamt für Strahlenschutz über Mobilfunk (archiviert)

Bundesregierung über Grenzwerte (archiviert)

Bundesregierung über den Forschungsstand zu 5G (archiviert)

Bundesregierung über Unterschiede 3G, 4G, 5G (archiviert)

Bundesregierung über Einführung von 5G (archiviert)

Studie zu 5G und Leistungsfähigkeit, 2024 (archiviert)

Studie zu Mobilfunk und Schlaf, 2010 (archiviert)

Studie zu Mobilfunk und Schlaf, 2022 (archiviert)

Bundesamt für Strahlenschutz über Elektrosensibilität (archiviert)

DGKN zur transkraniellen Magnetstimulation (archiviert)

dpa-Faktencheck zu 5G-Strahlung

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