Ausländer nicht bevorzugt

Weiter Ticketkontrollen auf Bahnstrecke Erfurt-Suhl

16.10.2024, 13:18 (CEST)

Rund um das Thema Migration kursieren online immer wieder Fehlinformationen. Diesmal verbreiten Nutzer eine Behauptung über eine angebliche Ungleichbehandlung bei Ticketkontrollen in Thüringer Zügen.

Werden in Thüringen Zugreisende wegen ihrer Herkunft bevorzugt? Diese Frage wirft eine Behauptung auf, die mehrere Nutzer in sozialen Netzwerken verbreiten. «Deutsche Schaffner haben vom Management die Erlaubnis erhalten, auf dem Problemabschnitt von Erfurt nach Suhl keine Fahrkartenkontrolle für Migranten durchzuführen», heißt es. Das gehe aus einem Bericht der «Thüringer Allgemeinen» hervor. Doch das stimmt nicht.

Bewertung

Die beiden auf der Strecke tätigen Bahnunternehmen dementieren, dass es eine solche generelle Anweisung gibt. Offenbar wurde der erwähnte Medienbericht missverstanden: Eine Sprecherin der Süd-Thüringen-Bahn erklärte darin, «lediglich in schwierigen Situationen» könne das Zugpersonal zur Deeskalation selbst über das Vorgehen entscheiden.

Fakten

Eine Suche auf der Webseite der «Thüringer Allgemeinen» nach den Stichworten «Kontrolle», «Erfurt» und «Suhl» führt zu einem Treffer. Mitte September veröffentlichte die Zeitung einen Bericht (kostenpflichtig) mit der Überschrift «Asylpolitik: Keine Ticketkontrolle in brenzligen Situationen».

Hintergrund des Artikels vom 15. September 2024 sei der Leserbrief eines Ehepaares. Dieses habe in der Regionalbahn 44 von Arnstadt Süd nach Erfurt beobachtet, dass die Schaffnerin angeblich nur die Fahrkarten der deutschen Reisenden habe sehen wollen. Die Tickets von scheinbar ausländischen Fahrgästen seien hingegen nicht kontrolliert worden, heißt es. Das Paar fühlte sich demnach ungleich behandelt. Deshalb fragte die Zeitung bei der zuständigen Bahngesellschaft Süd-Thüringen-Bahn nach.

Keine generelle Anweisung: Bahnsprecherin weist Vorwurf zurück

Bereits im ersten Satz des Artikels schreibt die Zeitung «Die Süd-Thüringen-Bahn hat ihre Zugbegleiter nicht angewiesen, Fahrscheine ausländischer Fahrgäste nicht mehr zu kontrollieren. Das hat eine Sprecherin des Unternehmens klargestellt.»

Die Sprecherin lieferte demnach eine mögliche Erklärung für die Beobachtung des Ehepaars: So gehe eine Zugbegleiterin oder ein Zugbegleiter bereits vor dem Halt in Arnstadt mehrfach durch den Zug und kontrolliere die Tickets. Da der Zug von Meiningen kam, seien Fahrkarten der vom Ehepaar als Ausländer ausgemachten Reisenden vermutlich gesehen worden, bevor das Ehepaar zustieg. Das Unternehmen halte es zudem für vermessen, aufgrund einer einzelnen Beobachtung auf ein generelles Vorgehen zu schließen, heißt es.

Auch auf dpa-Anfrage erklärte eine Sprecherin: Die Behauptung, Reisende mit Migrationshintergrund würden in Zügen des Unternehmens generell nicht mehr kontrolliert, sei falsch. Es gäbe keine solche Anweisung. «Grundsätzlich sind in unseren Zügen alle Fahrgäste gleich zu behandeln und benötigen für die Fahrt ein gültiges Ticket.»

Neben der Süd-Thüringen-Bahn fahren auf der erwähnten Strecke Erfurt-Suhl auch Züge der Deutschen Bahn (DB) Regio Südost. Eine Sprecherin dort teilte ebenfalls mit: «Eine solche Anweisung gibt es bei DB Regio Südost nicht.»

Zugpersonal kann in schwierigen Situationen Ausnahmen machen

Offenbar haben mehrere Nutzer eine Aussage in dem Bericht der «Thüringer Allgemeinen» missverstanden. Denn darin wird die Sprecherin der Süd-Thüringen-Bahn wie folgt zitiert: «Lediglich in schwierigen Situationen können unsere Mitarbeiter zur Deeskalation selbst entscheiden, wie sie vorgehen.» Ausnahmen sind somit in Einzelfällen möglich.

Im April 2024 hatte die Eisenbahngewerkschaft EVG gegenüber dem MDR Beleidigungen sowie Attacken auf das Zugpersonal beklagt. Die Straftaten würden häufig von Menschen mit Migrationshintergrund ausgehen, aber auch Deutsche seien unter den Tätern, erklärte die EVG. Die Bundespolizei hatte auf der Strecke vermehrt Anzeigen registriert.

Im Juni stellte die Thüringer Landesregierung nach eigenen Angaben rund 336.000 Euro für den Einsatz zusätzlicher Sicherheitsdienste bereit. Der Süd-Thüringen-Bahn zufolge hat die Maßnahme bereits zu einer Verbesserung beigetragen.

Geteiltes Video hat keinen Bezug zu Thüringen

Ein teils zusammen mit der Behauptung verbreitetes Video zeigt keinen Vorfall in Thüringen. In dem Clip ist zu sehen, wie ein Mann einem Schaffner den Einstieg in den Zug versperrt. Anschließend fällt der Zugbegleiter auf den Bahnsteig und bleibt liegen.

Auf Facebook teilte den Clip Ende September unter anderem der italienische Vize-Regierungschef von der rechtspopulistischen Lega-Partei, Matteo Salvini. Anhand des Waggon-Designs lässt sich unter anderem mithilfe von Videos auf Youtube herausfinden, dass es sich in dem Clip um einen Zug der italienischen Bahngesellschaft Trenitalia handelt. Das Unternehmen reagierte bis Mitte Oktober nicht auf eine dpa-Anfrage.

(Stand: 16.10.2024)

Links

Bericht der «Thüringer Allgemeinen» vom 15. September 2024 - kostenpflichtig (archiviert)

Suche auf Webseite der «Thüringer Allgemeinen» (archiviert)

Über die Süd-Thüringen-Bahn (archiviert)

Süd-Thüringen-Bahn über RB44 (archiviert)

MDR-Meldung vom 24. April 2024 (archiviert)

dpa-Meldung vom 24. April 2024 via «SZ» (archiviert)

Pressemitteilung vom 28. Juni 2024 (archiviert)

Facebook-Post von Matteo Salvini (archiviert)

Youtube-Video von Trenitalia-Zug (archiviertes Video)

X-Post mit irreführender Behauptung (archiviert / archiviertes Video)

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