Studie falsch interpretiert

Zunahme von Antikörpern ist normale Reaktion auf Impfung

2.10.2024, 15:32 (CEST)

Eine deutsche Studie soll angeblich beweisen, dass Impfstoffe das Immunsystem schwächen. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Impfstoffe fördern die Bildung bestimmter Antikörper, die das Immunsystem dabei unterstützen, sich besser gegen Krankheitserreger zu verteidigen. In einigen Kreisen wird jedoch anderes behauptet: So zum Beispiel, dass jene Antikörper das Immunsystem von Kindern zerstören und eine seltene Erkrankung auslösen würden. Als Stütze dieser Behauptung soll eine Studie aus Deutschland dienen, an der der Mediziner Robin Kobbe beteiligt war.

Bewertung

Falsch. Die im «The Pediatric Infectious Disease Journal» veröffentlichte Studie zeigt keine Schädigung des Immunsystems.

Fakten

In einer Studie von Juli 2024 wurde die Immunantwort von 14 gesunden Kindern untersucht, die zum Teil mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 von Biontech/Pfizer und zum Teil mit mRNA-1273 von Moderna geimpft worden waren. Die Forschenden fanden heraus, «dass ein bestimmter auf das Spike-Protein (Impfantigen) spezifischer Antikörpertyp vom Typ IgG4» bei Kindern nach wiederholter Impfung ebenfalls ansteige, erklärt der leitende Arzt der Studie, Robin Kobbe, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Immunglobulin-G4 (IgG4) ist eine von vier Hauptklassen von Antikörpern, die vom Immunsystem produziert werden. Dies bedeute jedoch nicht, dass «die Menge von IgG4 insgesamt ansteigt» oder dass diese Beobachtung in irgendeiner Weise «mit klinisch negativen Folgen behaftet ist», so Robbe weiter. Dieser Anstieg ist eine normale Reaktion des Körpers nach wiederholter Impfung, aber auch nach einer Infektion. Damit unterscheidet sich die Reaktion nicht von der Erwachsener.

Fehlende Verbindung zur IgG4-assoziierten Erkrankung

Die Behauptung, dass die in den «Impfstoffen enthaltenen Antikörper» das Immunsystem auffressen würden, ist schlicht falsch - allein schon, weil mRNA-Impfstoffe selbst keinerlei Antikörper enthalten. Wie bereits erwähnt, liefern sie eine Art Blaupause oder Anleitung, sodass der Körper selbst lernt, Antikörper zu bilden und so die entsprechenden Viren zu bekämpfen. Das Ergebnis des Papers könnte auch der Krebsforschung dienen, allerdings seien weitere Forschungen nötig, so Kobbe weiter.

Dass das Ergebnis der Studie gleichbedeutend zu einer sogenannten IgG4-assoziierten Autoimmunerkrankungen führe, klinge nur für Laien plausibel, so Dr. Robbe weiter. Es gebe «keinerlei Hinweise» darauf, dass diese Erkrankung bei Millionen von mRNA-Geimpften häufiger aufgetreten ist. Die Impfung bei Kindern zeigt eine hohe Wirkung gegen Sars-CoV-2.

Vorsicht bei «The People’s Voice»

Oft wird bei der Verbreitung dieser Falschinformation ein Text verlinkt, der am 20. August 2024 auf der Webseite «The People’s Voice» veröffentlicht wurde. Die dpa hat bereits zahlreiche Faktenchecks veröffentlicht, die dort publizierte Falschmeldungen widerlegen (zum Beispiel hier, hier und hier).

(Stand: 2.10.2024)

Links

Studie im «The Pediatric Infectious Disease Journal» (archiviert)

«The New England Journal of Medicine» über Wirksamkeit des BNT162b2-Impfstoffs (archiviert)

WHO über mRNA-1273 (archiviert)

Helmholz-Gemeinschaft über Spike-Protein (archiviert)

Arztprofil von Robin Kobbe (archiviert)

«The National Library of Medicine» über IgG4-Antikörper (archiviert)

Studie in «Nature» über Wirkung von BNT162b2-Impfstoff bei Kindern (archiviert)

DZIF über Antikörper (archiviert)

Pfizer über Wirkungsmechanismus von mRNA-Impfstoff (archiviert)

«Deutsches Ärzteblatt» über IgG4-assoziierte Autoimmunerkrankungen (archiviert)

Behauptung auf «The People’s Voice» (archiviert)

dpa-Faktencheck vom 11. Mai 2023

dpa-Faktencheck vom 21. Dezember 2023

dpa-Faktencheck vom 07. August 2024

RKI: Covid-19-Impfempfehlung der Stiko (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

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