Vorfall in Sachsen

Nach sexueller Belästigung: Polizei prüft, ob Nothilfe überschritten wurde

23.9.2024, 19:08 (CEST)

«Hinschauen, nicht wegschauen» lautet die Devise. Doch auch hier können Grenzen überschritten werden. So wie jüngst bei einem Vorfall in Sachsen.

«Da wird man noch bestraft, wenn man helfen will», echauffiert sich eine Userin in einem Post bei Threads. Sie teilt ein Sharepic, das behauptet, ein Afrikaner habe in Sachsen «mehrere Mädchen begrabscht». Einige Männer hätten ihn daraufhin zusammengeschlagen. Nun werde «GEGEN die Männer» ermittelt. Stimmt das?

Bewertung

Die Polizei ermittelt wegen sexueller Belästigung gegen den 24-jährigen Libyer sowie gegen die Männer wegen gefährlicher Körperverletzung.

Fakten

Das Sharepic zeigt einen Screenshot eines TikTok-Beitrags vom Account «jensltz3». Dieser Beitrag wurde am 10. August 2024 veröffentlicht.

Der Vorfall ereignete sich Anfang August 2024 am Busbahnhof im sächsischen Freital-Döhlen. Laut einer Pressemitteilung der Polizei Dresden soll ein 24-jähriger Libyer zwei junge Mädchen unsittlich berührt haben. Mehrere Menschen griffen ein, als der Mann fliehen wollte. Passanten hielten ihn auf und traten auf ihn ein.

«Gegen die Personen wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt», erklärte ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden der dpa schriftlich. Die Polizei prüfe, ob die Nothilfe oder das Jedermannsrecht überschritten wurde. Weitere Angaben macht die Polizei Dresden wegen laufender Ermittlungen in beiden Fällen nicht.

Der juristische Hintergrund

Nothilfe tritt ein, wenn jemand einen rechtswidrigen und gegenwärtigen Angriff auf eine dritte Person abwehrt. Das sogenannte Jedermannsrecht gestattet es, jemanden vorläufig festzunehmen, wenn er bei einer Straftat erwischt wird. Beide Rechte haben jedoch klare Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen: Sie sind nur so lange zulässig, wie sie erforderlich sind. Das Verteidigungsmittel darf also nur eingesetzt werden, bis der Angriff beendet ist.

Und: «Wer über die erforderliche Verteidigung hinausgeht, kann sich nicht auf Notwehr oder Nothilfe berufen», erklärte Armin Engländer, Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der LMU München, der dpa schriftlich. «Ist der Angreifer bereits ausgeschaltet und der Verteidiger setzt weiterhin Gewalt gegen ihn ein, liegt schon keine Notwehrlage mehr vor.»

Sobald vom Angreifer also keine Gefahr mehr ausgeht und der Angriff beendet ist, darf nicht weiter getreten oder zugeschlagen werden. Ob dies geschehen ist, wird auch bei dem Vorfall in Sachsen untersucht - die Ermittlungen laufen.

(Stand: 20.9.2024)

Links

Threads-Post (archiviert)

TikTok-Beitrag »jensltz3« (archiviert)

Meidenservice Polizei Sachsen (archiviert)

Nothilfe § 32 StGB (archiviert)

Jedermannsrecht § 127 StPO (archiviert)

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