Afghanistan

Gericht betrachtet Unterstützungsgeld als Voraussetzung für Abschiebung

05.09.2024, 12:55 (CEST)

Nach der Abschiebung von 28 Afghanen ist eine Debatte über eine Zahlung entstanden, die sie erhielten. Dabei gerät jedoch einiges durcheinander.

Ende August hat Deutschland zum ersten Mal seit der Machtübernahme der Taliban wieder afghanische Staatsangehörige in ihr Herkunftsland abgeschoben. Es handelte sich um 28 afghanische Straftäter aus verschiedenen Bundesländern. Die Abgeschobenen erhielten dabei pro Person 1.000 Euro sogenanntes «Handgeld», um ihren Lebensunterhalt nach der Rückkehr vorerst bestreiten zu können. «Die Ampel-Regierung verschenkt ohne jede Pflicht unser Steuergeld an afghanische Straftäter!», heißt es dazu in sozialen Medien. Doch das stellt die Zahlung irreführend dar.

Bewertung

Teils falsch. Tatsächlich fordert ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2022, dass abgeschobene Ausländer ihren Unterhalt «über einen absehbaren Zeitraum» sichern können müssen, damit die Abschiebung nicht aufgrund von drohender Verelendung verboten werden kann. Eine gewissen Existenzsicherung ist also vorgeschrieben.

Fakten

Einer Sprecherin des niedersächsischen Innenministeriums zufolge hatten sich alle beteiligten Bundesländer auf den Betrag von 1.000 Euro geeinigt. Das Geld solle reichen, um sechs bis neun Monate den Lebensunterhalt in Afghanistan bestreiten zu können, teilte sie mit.

Eine genaue Höhe eines solchen «Handgelds» ist zwar nicht festgeschrieben. Doch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus April 2022 betrachtet eine Existenzsicherung «über einen absehbaren Zeitraum» als Voraussetzung dafür, dass kein Abschiebeverbot gilt.

Aus Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention kann sich ein Abschiebeverbot ergeben, wenn dem Abgeschobenen in seinem Herkunftslandich eine unmenschliche Behandlung, etwa eine Verelendung droht.

Abgeschobene müssen zeitweise Existenz sichern können

Bei der Abwägung darüber, sei laut Gericht nicht entscheidend, ob das Existenzminimum des abgeschobenen Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder dauerhaft sichergestellt ist. Wohl aber sei ein Maßstab, ob die Person ihre «elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum» stillen könne - «gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen».

Es ist also irreführend zu behaupten, es sei «ohne Pflicht» Geld verschenkt worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu eine Vorgabe gemacht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die Zahlung von jeweils 1.000 Euro «Handgeld» ebenfalls als übliches Verfahren, um nicht zu riskieren, dass Gerichte die Entscheidung aufhöben, weil eine Verelendung der Abgeschobenen drohe, sagte Faeser am Freitagabend im ZDF-«heute journal». «Das soll quasi die Sicherheit der Maßnahme sozusagen absichern.» Sie verwies darauf, dass das Thema «Handgeld» Sache der Bundesländer sei.

(Stand: 4.9.2024)

Links

dpa-Bericht über Abschiebung und «Handgeld»-Debatte, veröffentlicht von «web.de» (archiviert)

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von April 2022 (archiviert)

Bericht über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (archiviert)

Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

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