Terror in Solingen

Polizeipräsident nach Anschlag: nicht zu Hause einschließen

27.8.2024, 14:37 (CEST)

Kurzen Clips im Internet fehlt zuweilen wichtiger Kontext. Wie jetzt im Fall der Terrorattacke in Solingen: Dem Polizeipräsidenten wird anhand eines Halbsatzes etwas Falsches unterstellt.

Nach dem islamistischen Messeranschlag von Solingen diskutiert die Politik über die Folgen für Öffentlichkeit und Sicherheit. Im Zuge dieser Debatte verbreitet sich ein Satz des Wuppertaler Polizeipräsidenten Markus Röhrl vom 24. August 2024: «Insofern muss jeder, auch mit sich, das klarmachen und ausmachen, ob er beispielsweise zu Festivitäten geht, ob er zu Fußballspielen geht, ob er im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs ist», sagt er nach der Terrorattacke auf einer Pressekonferenz. In sozialen Medien wird wie in diesem X-Post daraus: «Der Polizeipräsident empfiehlt besser zu Hause bleiben.» Tut der das wirklich?

Bewertung

Durch die unvollständig widergegebene Aussage des Polizisten fehlt entscheidender Kontext: In der Pressekonferenz betont er nämlich, dass die Polizei keinem empfehlen könne, sich zu Hause zu verschanzen.

Fakten

Am Nachmittag nach der Tatnacht teilen Staatsanwaltschaft und Polizei bei einer Pressekonferenz in Wuppertal erste Ermittlungsergebnisse mit. Nach etwa einer halben Stunde (im Video ab 34:19 Min.) fragt eine Reporterin: «Was bedeutet die Tat für die Solinger Bürger?»

Darauf antwortet Polizeipräsident Röhrl (ab 35:36 Min.), dass es «mitnichten» so sei, dass «eine solche einzelne schreckliche Tat (...) immer und überall passieren» werde. «Kann ja, aber es wird nicht passieren», sagt er weiter. Danach kommt die zitierte, verkürzte Passage.

Doch es ist relevant, was Röhrl danach sagt (ab 36:15 Min.) und im verbreiteten Clip verschwiegen wird: «Aber die Konsequenz, wenn man zu all dem nein sagen würde, wäre ja die, dass man sich zuhause einschließen müsste. Das können wir natürlich überhaupt keinem empfehlen - ganz im Gegenteil.» Je belebter die Straßen und Städte seien, umso sicherer seien sie.

Kurzum: Polizeipräsident Röhrl empfiehlt auf der Pressekonferenz den Bürgern eben genau nicht, zur Sicherheit zu Hause zu bleiben.

Zum Zeitpunkt der Aussagen ist der mutmaßliche Täter noch nicht gefunden. Das wird auch aus der Stellungnahme des Leitenden Oberstaatsanwalts während der Pressekonferenz (ab 13:03 Min.) ersichtlich.

Seit 25. August sitzt ein 26-jähriger Syrer in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen ihn unter anderem wegen dreifachen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat.

(Stand: 27.8.24)

Links

Video der gesamten Pressekonferenz (archiviert)

ZDF-Artikel über Solinger Fall (archiviert)

Bundesanwaltschaft über Haftbefehl (archiviert)

X-Post mit irreführender Behauptung (Post archiviert, Video archiviert)

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