Covid-19
Intensivbetten-Auslastung widerlegt Corona-Pandemie nicht
29.8.2024, 17:00 (CEST)
Im Mai 2024 veröffentlicht das Robert-Koch-Institut (RKI) interne Ergebnisprotokolle zu Sitzungen des Covid-19-Krisenstabs. Darin geht es unter anderem auch um die Betten auf Intensivstationen während der Corona-Pandemie: Am 25. März 2020 etwa sollen 50 Prozent der Klinikbetten belegt gewesen sein - statt der sonst üblichen 90 Prozent. Daraus leiten manche ab, dass es nie eine Pandemie gegeben habe.
Bewertung
Falsch. Der als Beweis angeführte Protokollabschnitt erklärt, dass Betten für Corona-Fälle freigeräumt wurden. In anderen Ländern wie Italien war das Gesundheitssystem seinerzeit bereits überfordert.
Fakten
Der Screenshot stammt aus dem RKI-Protokoll einer Krisenstabssitzung vom 25. März 2020, die den Titel «Neuartiges Coronavirus (Covid-19)» trägt (Protokoll ab pdf-S. 447, Textstelle auf pdf-S. 452). Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Pandemie in Deutschland gerade am Anfang. Das Protokoll ist eine Mitschrift von Gesprächen, keine wissenschaftliche Arbeit.
Der geteilte Screenshot ist Teil eines Artikels, der mindestens auf zwei Internetseiten (hier und hier) veröffentlicht wurde. Das Bild zeigt eine Liste mit der Überschrift «Divi-Notaufnahmeregister». Es handelt sich dabei um ein Tool der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi).
Dieses Datenverarbeitungswerkzeug heißt eigentlich «Divi-Intensivregister» und ist somit in den Protokollen falsch benannt, was eine Pressesprecherin der Divi auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am 27. August 2024 bestätigte. In späteren Protokollen wird das Tool richtig benannt (ab 30. März 2020, pdf-S. 486).
Zum Zeitpunkt der damaligen Sitzung (25. März 2020) war es gerade vorgestellt worden und erst eine Woche aktiv, wie es auch in den Protokollen heißt (pdf-S. 452; erste Erwähnung am 6. März 2020, pdf-S. 304). Zwei Drittel aller Krankenhäuser hätten zum 25. März Daten übermittelt. Erst Wochen später - ab dem 16. April 2020 - sind Krankenhäuser der Divi-Intensivregister-Verordnung zufolge verpflichtet, die Intensivbettenbelegung zu melden.
Betten wurden für Covid-Patienten freigeräumt
Das Protokoll wird zitiert: «Derzeit ist die Anzahl freier Betten/belegter Betten etwa gleich groß, d.h. viele Betten sind schon freigemacht worden (normalerweise Anteil freier Betten <10%)». Warum heißt es hier, dass Betten «schon freigemacht» wurden?
Aus den Protokollen ist abzulesen, wie sich die Infektionslage zuspitzt: Italien zum Beispiel hatte große Gebiete im Norden - darunter zum Beispiel Bergamo - bereits ab dem 6. März 2020 abgeriegelt. Überfüllte Krankenhäuser und ein überfordertes Gesundheitssystem führten zu tragischen Zuständen, die weit über das hinausgingen, was bei gewöhnlichen Grippewellen beobachtet wird.
Genauso in China: Bereits im Protokoll vom 24. Januar 2020 (pdf-S. 31) ist vermerkt, dass «Krankenhäuser in Wuhan überlastet» seien.
Jedes RKI-Sitzungsprotokoll beginnt mit der aktuellen nationalen und internationalen Lage, welche die fortschreitende Ausbreitung des Coronavirus dokumentiert. Aufgrund des rapiden Anstiegs der Fallzahlen und der Überforderung wie etwa in Bergamo sind in Deutschland diverse Vorkehrungen in Krankenhäusern getroffen worden (zum Beispiel im Protokoll vom 24. März, pdf-S. 441), um einer möglichen Überlastung vorzubeugen.
Was hat es mit den RKI-Protokollen auf sich?
Die Ergebnisprotokolle des RKI dokumentieren die Diskussionen des Covid-19-Krisenstabs von 2020 bis 2023. Expertinnen und Experten trafen sich regelmäßig, um die Lage in Deutschland, aber auch international zu beurteilen und neue Studien zu besprechen.
Die ursprünglich für den internen Gebrauch bestimmten Protokolle wurden aufgrund des großen öffentlichen Interesses freigegeben, zunächst jedoch stark geschwärzt. Im Mai 2024 veröffentlichte das RKI eine größtenteils unzensierte Version für den Zeitraum Januar 2020 bis April 2021, das restliche Material bis Juli 2023 soll noch folgen (Stand: August 2024). Geschwärzt wurden eigenen Angaben zufolge nur personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter.
Der nun verbreitete Screenshot aus dem Protokoll war nicht geschwärzt und bereits Teil der RKI-Veröffentlichung vom Mai 2024.
Eine Gruppe um Kritiker und Kritikerinnen der Corona-Politik der Bundesregierung veröffentlichte die Unterlagen und stellte sie am 23. Juli 2024 bei einer Pressekonferenz vor. Das RKI erklärte, diese Datensätze weder geprüft noch verifiziert zu haben.
(Stand: 29.08.2024)
Links
Facebook-Beitrag mit Falschbehauptung (archiviert)
Pressemittleiung RKI (archiviert)
Pressemitteilung Divi (archiviert)
BMG: Divi-Intensivregister-Verordnung (archiviert)
RKI-Protokolle, Protokoll vom 25.3.2020 ab pdf-S. 447 (archiviert)
«SZ»-Bericht über RKI-FIles (archiviert)
Pressemitteilung des Bundestags (archiviert)
«Tagesschau» zur Lage in Norditalien (archiviert)
«SZ»-Bericht über Bergamo (archiviert)
«Tagesschau» über RKI-Protokolle (archiviert)
«FAZ» über RKI-Files, kostenpflichtig (archiviert)
Youtube-Video zu Pressekonferenz der Leaks
Stellungnahme des RKI (archiviert)
ARD-Faktencheck zu RKI-Files (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.