Kontext wichtig

Verfassungsschutzchef betont Strafbarkeit von Gewaltaufrufen

27.06.2024, 16:21 (CEST)

Ein aus dem Kontext gerissenes Video von Verfassungsschutz-Chef Haldenwang sorgt für Aufregung. Er erklärt lediglich die Meinungsfreiheit und ihre Grenzen, unterstützt aber nicht die Idee eines Kalifats.

Nach islamistischen Demos in Hamburg im Frühjahr 2024 wurden Rufe laut, das Fordern des Kalifats in Deutschland unter Strafe zu setzen. Nun gibt es Ärger und Kopfschütteln in sozialen Netzwerken über ein Video, in dem Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang sagt, das Kalifat sei eine «denkbare Staatsform». Doch wie so häufig lohnt es sich, nicht nur einen Ausschnitt anzuschauen, sondern lieber das ganzez Video.

Bewertung

In dem Video wird die Aussage des Verfassungsschutzchefs Thomas Haldenwang aus dem Kontext gerissen. Haldenwang hat die Aussage auf der Bundespressekonferenz im Jahr 2023 zwar wörtlich so getroffen. Er weist aber lediglich darauf hin, dass es im Rahmen der Meinungsfreiheit möglich ist, sich dieses System zu wünschen, so wie es möglich ist, sich den Kommunismus oder eine Monarchie zu wünschen und das auch zu äußern. Er hat nicht gesagt, er halte dass er das Kalifat für eine akzeptable Staatsform in Deutschland.

Fakten

Auf Youtube gibt es eine Aufzeichnung der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2023 mit Nancy Faeser und Thomas Haldenwang, aus dem der Ausschnitt auf TikTok stammt.

Wörtlich sagt Haldenwang: «Was anderes ist die Einführung des Kalifats. Das ist eine denkbare Staatsform von ganz vielen, die es weltweit gibt. Es gibt Kommunismus, Sozialismus. Es gibt eben religiös geführte Systeme. Es gibt Monarchien. All das gibt es und all das kann man auch in Deutschland sagen, in einer eben auch freiheitlich demokratischen Grundordnung. (...) die Forderung als solche (ist) eben noch von der Meinungsfreiheit gedeckt (...). Wir haben ein System, das eben auch sehr radikale Äußerungen zulässt. Sobald die Forderung laute, «Wir wollen gewaltsam den Umsturz durchführen», sei «die Schwelle überschritten». (Minute 1:03:57)

Er reagiert dabei auf die Frage eines Journalisten nach der verfassungsrechtlichen Einordnung der Forderung nach einem Kalifat. Nach den Paragrafen zu «Volksverhetzung», zur «Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten» sowie zum «Hochverrat gegen den Bund» macht sich strafbar, wer etwa «zu einer rechtswidrigen Tat auffordert», «den öffentlichen Frieden stört» oder «mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern».

Der Verfassungsschutzchef erklärt also, dass man zwar sagen dürfe, man wünsche sich ein Kalifat in Deutschland. Man dürfe aber nicht dazu aufrufen, dieses Kalifat mit Gewalt durchzusetzen.

Nach den von Islamisten organisierten Demonstrationen in Hamburg im April und Mai wurden Forderungen laut, den Ruf nach der Errichtung eines Kalifats in Deutschland unter Strafe zu stellen.

Links

Tiktok-Video (archiviert)

Bundespressekonferenz auf Youtube (archiviert)

Grundgesetz Art. 5 Meinungsfreiheit (archiviert)

§ 111 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (StGB) (archiviert)

​​§ 130 Volksverhetzung (StGB) (archiviert)

§ 81 Hochverrat gegen den Bund (StGB) (archiviert)

Tagesschau-Bericht über islamistische Demo in Hamburg (archiviert)

(Stand: 27.06.2024)

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