Nach Attentat in Mannheim
Täter in Untersuchungshaft - kein Freispruch
26.6.2024, 14:05 (CEST)
Der tödliche Messerangriff in Mannheim Ende Mai sorgt weiterhin für hitzige Diskussionen im Netz. Auf Facebook kursiert wenige Wochen nach der Tat der Screenshot eines Youtube-Videos, in dem behauptet wird, der Täter sei wegen Psychosen als «unzurechnungsfähig» eingestuft und freigesprochen worden. Angeblich soll er in eine Psychiatrie eingewiesen werden. Doch stimmt das?
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Die Ermittlungen gegen den Attentäter von Mannheim dauern noch an. Dies bestätigt die Bundesanwaltschaft. Eine Anklage samt anschließendem Prozess und Verurteilung ergeht erst nach dem Ende der Ermittlungen. Es kann somit noch kein Urteil und keinen Freispruch bzw. keine Verurteilung geben.
Fakten
Ein Angriff erschütterte Ende Mai den Mannheimer Marktplatz. Ein Afghane verletzte dort fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung Pax Europa (BPE) sowie einen Polizisten mit einem Messer schwer. Der 29-jährige Beamte Rouven Laur erlag später seinen Verletzungen. Ein anderer Polizist schoss den Angreifer nieder. Nach einer Operation lag der Täter zunächst im Koma.
Ermittlungen laufen
Wenige Tage nach der Tat übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen. Sie vermutet eine religiöse Motivation hinter dem Angriff. Der Beschuldigte habe massive Gewalt angewendet, vermutlich um Kritik am Islam zu unterbinden, erklärte Generalbundesanwalt Jens Rommel.
Die Untersuchungen zu dem Attentat dauern an. «Die Entscheidung über eine Anklage ergeht erst nach dem Abschluss der Ermittlungen», sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts der Deutschen Presse-Agentur.
Auf Nachfrage bestätigte die Bundesanwaltschaft, dass der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am Montag, dem 24. Juni 2024, die Fortdauer der Untersuchungshaft für den 25-jährigen Afghanen angeordnet hat. «Grundlage hierfür ist ein zuvor eröffneter Haftbefehl vom 17. Juni 2024 wegen des dringenden Verdachts auf Mord, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung,» erklärte die Sprecherin.
Der Haftbefehl muss zwingend durch einen Richter oder eine Richterin erlassen und dem Betroffenen persönlich mitgeteilt werden. Das bedeutet, der Täter ist aus dem Koma erwacht und ansprechbar. Angaben zu seinem aktuellen Gesundheitszustand machte die Bundesanwaltschaft jedoch nicht.
Schuldunfähigkeit und Maßregelvollzug
Wenn bei einem Verdächtigen der Verdacht auf eine schwere psychische Störung besteht, kann die Staatsanwaltschaft oder der Richter ein forensisch-psychiatrisches Gutachten anfordern, um die Schuldfähigkeit des Verdächtigen zu untersuchen. Solche Gutachten erstellen zum Beispiel die Ärzte des Max-Planck-Instituts in München.
David Popovic, Oberarzt der Gutachtenabteilung, führt diese Untersuchungen regelmäßig im Auftrag der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts durch. Er erklärt: «Wenn jemand nach Paragraf 63 StGB verurteilt wird, bedeutet das die Unterbringung in einem Maßregelvollzug.» Diese Einrichtungen sind forensisch-psychiatrische Kliniken, die sowohl Klinik als auch Gefängnis sind. Ihr Ziel ist die Besserung und Sicherung des Verurteilten.
Schönes Leben in einer forensisch-psychiatrischen Klinik?
Hat man in einer Klinik nun ein schönes Leben, «kriegt Tabletten, Fernsehen, Essen, Trinken, ganz normale Zimmer», wie es der User in seinem Video behauptet? «Ganz so einfach ist das nicht,» sagt David Popovic. «Der Maßregelvollzug ist eine der einschneidendsten Maßnahmen der Freiheitsentziehung, die der deutsche Rechtsstaat vorsieht.» Zwar mag das Zimmer komfortabler sein, doch das Umfeld ist völlig anders. Strenge Auflagen und zahlreiche therapeutische Termine bestimmen den Alltag. Besonders belastend ist die Ungewissheit über die Dauer des Aufenthalts. «Man weiß nicht, ob man ein Jahr oder zehn Jahre bleibt», erklärt er. Diese Ungewissheit stellt eine enorme psychische Belastung dar, die sich deutlich von der eines Gefängnisaufenthalts unterscheidet.
(Stand: 25.6.2024)
Links
Screenshot Facebook (archiviert)
Jens Rommel - zum Motiv des Täters (archiviert)
Max-Planck-Institut (archiviert)
Paragraf 63 StGB (archiviert)
Schuldunfähigkeit «BR Faktenfuchs» (archiviert)
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