Im Wahlgesetz vorgesehen

Fehlende Ecke am Stimmzettel hilft Sehbehinderten

24.06.2024, 16:34 (CEST)

Auch Menschen mit Sehbehinderungen müssen ihr Wahlrecht wahrnehmen können. Sie nutzen dafür bestimmte Schablonen, weshalb Stimmzettel eine Markierung haben - die immer wieder fehlinterpretiert wird.

Im Juni fanden in Deutschland mehrere Kommunalwahlen und die Europawahl statt. In sozialen Medien verbreiteten sich in dieser Zeit vermehrt Behauptungen über angebliche Wahlmanipulationen. «Alle Stimmzettel am 9.6.2024 in einem Rostocker "Wahllokal" mit fehlender Ecke. Somit Ungültig. Dazu noch ein Bleistift. Und die Urkundenfälschung ist vollzogen», heißt es in einem Beitrag auf Facebook. Dazu ist ein Foto eines Stimmzettels zu sehen, an dem die rechte obere Ecke abgeschnitten ist. Doch dafür gibt es einen guten Grund - und der steht sogar im Gesetz.

Bewertung

Die fehlende Ecke ist eine Orientierungshilfe für blinde und sehbehinderte Menschen. Sie macht einen Wahlzettel nicht ungültig.

Fakten

In der Bundeswahlordnung (BWO) im Paragraf 45, Absatz 2 steht: «Zur Verwendung von Stimmzettelschablonen wird die rechte obere Ecke des Stimmzettels gelocht oder abgeschnitten.» Die fehlende Ecke ist also eine Orientierungshilfe für blinde und sehbehinderte Menschen. Manche Stimmzettel haben dort auch ein Loch.

Mit dieser Markierung bleibt der Stimmzettel gültig. «Durch die Markierung kann der Stimmzettel richtig herum in eine Schablone gelegt werden, mit deren Hilfe Blinde eigenständig den Wahlzettel ausfüllen können», erklärt Torsten Resa vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

Damit auch blinde und sehbehinderte Menschen geheim wählen können, ist jeder Wahlzettel gleich beschaffen. Das heißt, jede Wählerin und jeder Wähler, und nicht nur Menschen mit einer Sehbehinderung, erhalten abgeschnittene oder gelochte Exemplare.

Auch ein Bleistift zum Ankreuzen des Stimmzettels ist erlaubt und macht keine Stimme ungültig. Die Bundeswahlordnung sieht in Paragraf 50, Absatz 2 vor, dass in der Wahlkabine ein Schreibstift bereitliegt. «Als Schreibstifte im Sinne des Wahlrechts gelten Bleistifte (die nicht dokumentenecht sein müssen), Farbstifte, Kopierstifte, Tintenstifte, Kugelschreiber, Faserstifte, Filzstifte und ähnliche», schreibt die Bundeswahlleiterin auf ihrer Webseite.

In der Bundeswahlordnung im Paragraf 39 ist zudem klar geregelt, wann ein Stimmzettel ungültig und nicht mitgezählt wird. Das ist etwa der Fall, wenn der Stimmzettel nicht amtlich hergestellt ist, zu viele Kreuze enthält oder den Willen des Wählers nicht zweifelsfrei erkennen lässt.

Gegenteilige Falschinformation über Löcher in oder Ecken an Stimmzetteln kursieren jedoch immer wieder.

(Stand: 24.6.2024)

Links

§45 der Bundeswahlordnung, u.a. zur Lochung von Stimmzetteln (archiviert)

Bundeswahlleiterin zur Nutzung von Stiften bei der Wahl (archiviert)

§39 der Bundeswahlordnung zu ungültigen Stimmen (archiviert)

dpa-Faktencheck «Gelochte Wahlzettel sind gültig - Orientierung für Blinde»

dpa-Faktencheck «Stimmzettel auch mit abgeschnittener Ecke gültig - Markierung dient als Orientierung für Blinde»

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert, Foto archiviert)

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