In-vitro-Experiment

Schwedische Studie über mRNA-Impfstoffe falsch interpretiert

24.06.2024, 16:43 (CEST)

Argwohn über die mRNA-Technik in Corona-Impfstoffen hält sich auch Jahre nach der Pandemie hartnäckig. Die Behauptung, das menschliche Erbgut werde verändert, bleibt jedoch unbewiesen.

Eine Anfang 2022 veröffentlichte schwedische Studie wird erneut hervorgeholt, um Kritik an Impfstoffen gegen Covid-19 zu stützen. Die Untersuchung zeige, «dass der genetische Code von Pfizer bereits innerhalb einer Stunde in das menschliche Genom aufgenommen» werde, verbreiten Nutzer sozialer Netzwerke. Klingt interessant, aber stimmt es auch?

Beurteilung

Die Studie gibt es wirklich, sie stützt aber nicht die online kursierenden Behauptungen. Die beteiligten Wissenschaftler betonen selbst, dass dies nicht das Ergebnis ihrer Untersuchung war. Es gibt keinen Beweis, dass mRNA in die menschliche DNA eindringen oder sie gar verändern kann.

Fakten

Verschiedene Posts in sozialen Netzwerken verweisen auf diese Studie schwedischer Wissenschaftler als Quelle ihrer Behauptung. In der Studie, die bereits im Februar 2022 publiziert wurde, untersuchte die Gruppe die Auswirkungen des Pfizer-Biontech-Impfstoffes gegen Covid-19 auf menschliche Leberzellen.

Das taten sie «in vitro»: Die Untersuchung fand also in einer kontrollierten Umgebung außerhalb des menschlichen Körpers statt. Das kann beispielsweise in einem Reagenzglas oder in einer Petrischale sein.

Das bedeutet, dass aus der Studie keine unmittelbaren Schlüsse über mögliche Auswirkungen auf die menschliche DNA gezogen werden können. Aus Resultaten unter den kontrollierten Bedingungen eines Labortests lassen sich nicht automatisch die Reaktion in einem Lebewesen vorhersagen.

Ergebnis der Studie

Online wird der Link zu der Studie fleißig geteilt, doch was haben die Wissenschaftler eigentlich getan? Der Pfizer-Impfstoff wurde in verschiedenen Dosierungen einer Zelllinie (eine Art unsterbliche Gruppe von Zellen) zugefügt, die ursprünglich aus einem menschlichen Lebertumor stammte. Die Wissenschaftler untersuchten anschließend, wie verschiedene Gene auf den Impfstoff reagierten.

Ein einziges dieser Gene produzierte das Protein LINE-1. Dieses Protein kann RNA in DNA verwandeln. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass sich mRNA aus dem Impfstoff zu DNA in der Zelllinie umwandelte.

Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die neu entstandene DNA in der menschlichen DNA aufgeht. Das erläuterten zwei der Studienautoren in einem Artikel der Universität von Lund, nachdem ihre Studie große Aufmerksamkeit bekommen hatte. Sie betonten dabei auch die besonderen Bedingungen des In-vitro-Experiments.

Die Autoren hoben hervor, dass Zelllinien anders sind als Zellen in lebenden Organismen. «Es ist wichtig zu bedenken, dass die Leberzellen in dieser Studie genetisch instabiler sind als unsere eigenen Leberzellen», sagte Professor Magnus Rasmussen. Die Studie liefere auch keinen Grund, die Verwendung des Impfstoffs zu überdenken, unterstreichen Rasmussen und seine Kollegin.

Befürchtungen und Fakten

Die mRNA-Technik wurde bei den Corona-Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna erstmals in großem Maßstab angewandt. «Eine gewisse Skepsis, welche Effekte das haben könnte, ist daher durchaus nachvollziehbar», schrieb das Robert Koch-Institut über die Befürchtung, das menschliche Erbgut könne sich infolge der Impfung verändern. Fakt sei aber: «Die mRNA der Impfstoffe kann nicht in das Erbgut unserer Zellen eingebaut werden.»

mRNA dringt eben nicht in den Zellkern ein, wo die DNA gespeichert ist. Deshalb kann der Impfstoff die DNA auch nicht verändern oder beeinflussen. Auch dpa erläuterte die Sachlage schon in früheren Faktenchecks.

(Stand: 24.6.2024)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Studie der Universität Lund (archiviert)

Über «in vitro» (archiviert)

ECHA über «in vitro» (archiviert)

Was ist eine Zelllinie (archiviert)

F&A über die Studie (archiviert)

Über Coronavakzine und DNA (archiviert)

RKI über Sicherheit von mRNA (archiviert)

Frühere dpa-Faktenchecks I und II

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