Teilweise verkürzt
Zitate von AfD-Politikern überwiegend korrekt wiedergegeben
25.6.2024, 16:25 (CEST)
Manche der Sätze haben es in sich: «Ich würde niemanden verurteilen, der ein bewohntes Asylantenheim anzündet!» oder «Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt». In sozialen Netzwerken verbreiten User eine Darstellung mit neun vermeintlichen Zitaten von AfD-Politikern. Einige der Zitate sind jedoch nicht wörtlich wiedergegeben worden - auch eine unbelegte Aussage ist darunter.
Bewertung
Mehrere Zitate sind echt und wurde von der AfD nahestehenden Personen so oder in sinngemäßer Form geäußert. Einige Äußerungen wurden jedoch verkürzt beziehungsweise nicht wörtlich wiedergegeben. Bei der Aussage von Jens Maier fehlt Kontext, für die angebliche Aussage von Petr Bystron lassen sich keine Belege finden.
Fakten
Auf den ersten Blick erinnert die Darstellung an eine Sammlung von Wahlplakaten der Alternative für Deutschland (AfD). Doch das Parteilogo ist darauf nicht zu sehen. Stattdessen verweisen die Bilder auf eine Facebook-Seite. Diese Seite hatte im Jahr 2019 mehrere Zitat-Illustrationen in AfD-ähnlicher Optik veröffentlicht.
Die Zitate im Überblick:
- Von Marcel Grauf, ein ehemaliger Mitarbeiter der damaligen baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Christina Baum und Heiner Merz, stammt das Zitat «Ich würde niemanden verurteilen, der ein bewohntes Asylantenheim anzündet!». Die Aussage war Recherchen der Wochenzeitung «Kontext» zufolge im Rahmen privater Online-Chats im Zusammenhang mit Fluchtbewegungen aus Syrien 2015 gefallen. Grauf klagte gegen die Veröffentlichung. Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies die Klage jedoch ab. «Das Gericht sieht es als hinreichend glaubhaft gemacht an, dass die im Rechtsstreit vorgelegten Chat-Protokolle authentisch sind», hieß es dazu in einer Pressemitteilung.
- Dem Ex-AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier wird auf dem Bild die rassistische Aussage «Weniger Beachtung für kleine Halbn...r!» zugeschrieben. Auf seinem Profil bei Twitter (heute X) war im Januar 2018 ein ähnlicher Satz gepostet worden. Die Beleidigung richtete sich gegen Noah Becker, Sohn der Tennislegende Boris Becker. Maier bestritt, den Tweet verfasst zu haben. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte ein Strafverfahren wegen Verdachts auf Beleidigung gegen ihn auch ein. Ein Mitarbeiter, der Maiers Account betreute, hatte die Tat gestanden. Maier zahlte Becker später 7500 Euro Schmerzensgeld.
- Mit dem dritten Zitat haben sich die Faktenprüfer von Correctiv 2020 beschäftigt: «Das Pack erschießen oder zurück nach Afrika prügeln» ist demnach kein direktes Zitat, sondern geht auf zwei Tweets zurück. Dieter Görnert, ein früherer AfD-Lokalpolitiker in Nürnberg, hatte demnach die Sätze «Am besten das Pack zurück nach Afrika prügeln» und «Auf der Stelle erschießen, dann wird sich das ganz schnell legen» auf einem privaten Profil getwittert. Archivierte Versionen ließen sich nicht finden. Der AfD-Kreisverband Nürnberg teilte auf dpa-Anfrage mit, Görnert sei seit dem 31. Dezember 2020 nicht mehr Mitglied - wegen Nichtzahlung der Mitgliedsbeiträge. «Dies kam einem sicheren Ausschluss aus der Partei wegen der Ihnen bekannten Äußerungen zuvor», hieß es. Gegenüber Correctiv erklärte die AfD Nürnberg zuvor, Görnert sei 2019 wegen der Tweets vom Landesschiedsgericht Bayern aus der Partei ausgeschlossen worden.
- Sandro Hersel, von 2016 bis 2021 AfD-Abgeordneter im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, soll der Grafik zufolge gesagt haben: «Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression». Im Jahr 2017 berichteten die Berliner «Tageszeitung» («taz») und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) über Chatprotokolle des Ex-AfD-Politikers Holger Arppe. In dem Zusammenhang sei das Zitat über «brennende Flüchtlingsheime» unter Hersels Namen geschrieben worden. Die Chats liegen der dpa nicht vor und lassen sich somit nicht prüfen.
- Björn Höcke ist Vorsitzender der AfD Thüringen, Spitzenkandidat für die dortige Landtagswahl im September und Mitglied des Thüringer Landtags. Das Zitat «Wissen Sie, das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt» lässt sich in einem Artikel des «Wall Street Journal» («WSJ») von 2017 finden. In der «Jungen Freiheit» hatte Höcke das Zitat daraufhin bestritten. Das «WSJ» veröffentlichte deshalb Auszüge des im Januar 2017 in Dresden geführten Interviews, in dem Höcke unter anderem über seine Sicht der Schuld Deutschlands am Zweiten Weltkrieg sprach. Aus den Auszügen geht hervor, dass das Zitat echt ist und richtig wiedergegeben wurde.
- Die Aussage «Dem Flüchtling ist egal, an welcher Grenze er stirbt.» ist echt, aber leicht verkürzt: Gegenüber der «Stuttgarter Zeitung» äußerte sich Günter Lenhardt 2016 zur Flüchtlingspolitik und zur Grenzsicherung. Lenhardt kandidierte damals für die AfD im Wahlkreis Kirchheim um ein Mandat für den baden-württembergischen Landtag. «Dem Flüchtling ist es doch egal, an welcher Grenze, an der griechischen oder an der deutschen, er stirbt», sagte er dem Blatt. Sein damaliger Arbeitgeber, die Bundeswehr, zog daraufhin berufliche Konsequenzen.
- «Homosexuelle ins Gefängnis? Das sollten wir in Deutschland auch machen!» - das Zitat ist so nicht korrekt. Andreas Gehlmann (AfD) sorgte 2016 im Landtag von Sachsen-Anhalt mit einem Zwischenruf für Aufsehen. Anlass war eine Rede über sichere Herkunftsländer, bei der auch die Verfolgung von Homosexuellen in den nordafrikanischen Maghreb-Staaten thematisiert wurde. Laut stenografischem Protokoll sagte zuvor Henriette Quade (Linke): «(...) Insbesondere für Homosexuelle ist die Sicherheitslage mehr als prekär. Sie ist verboten und in höchstem Maße tabuisiert. Wer Homosexualität offen auslebt, dem droht dafür eine Gefängnisstrafe.» Daraufhin rief der AfD-Mann: «Das sollten wir in Deutschland auch machen!» Mehrere Medien berichteten. Weil das Zitat nach Ansicht der AfD-Fraktion falsch interpretiert worden sei, erklärte sie in einer Mitteilung: Gehlmann habe sich dahingehend geäußert, dass «tabuisiert sein soll, wer Homosexualität offen auslebt». Zu dieser Aussage stehe Gehlmann auch uneingeschränkt, «da er Sittenverfall und sogar allgemein offen ausgelebte Sexualität scharf ablehnt.»
- Mit der Äußerung «Antifa? Ab ins KZ!» haben sich die Faktenprüfer von Correctiv ebenfalls bereits beschäftigt. Das Zitat ist demnach stark zugespitzt und geht zurück auf einen Tweet von Mirko Welsch, dem ehemaliger Bundessprecher der Homosexuellen in der AfD. Einem vom Faktencheck-Blog «Volksverpetzer» geteilten Screenshot zufolge hatte Welsch auf einen Beitrag der Zeitung «Neues Deutschland» reagiert mit: «Abschiebung der Antifa nach Buchenwald. Arbeit statt Linksterror.» Gegenüber Correctiv bestätigte Welsch die Echtheit und erklärte, sein Tweet sei satirisch überspitzt formuliert gewesen. Laut einem «Stern»-Interview habe Welsch 2017 die AfD verlassen.
- Beim angeblichen Zitat von Petr Bystron (AfD) ist unklar, ob es sich um eine echte Aussage handelt. Es lassen sich keine ausreichenden Belege finden. Laut Medienberichten hatte die AfD-Politikerin Corinna Miazga Bystron 2017 auf einem Parteitag Sexismus vorgeworfen. Ihrer Behauptung nach habe Bystron ihr im Wahlkampf erklärt, «dass Frauen wie ich eigentlich besser an einer Stange tanzen sollten.» Der kürzlich ins Europaparlament gewählte Bystron dementierte dies auf dpa-Anfrage: «Die Aussage habe ich nie getätigt.» Gegenüber Correctiv sprach Bystron 2023 davon, Miagza hätte eine Unterlassungserklärung erhalten. Corinna Miagza ließ sich dazu nicht befragen, sie ist 2023 verstorben.
(Stand: 25.6.2024)
Links
Facebook-Seite mit Zitat-Darstellungen (archiviert)
«Kontext»-Artikel von 2018 (archiviert)
Pressemitteilung Oberlandesgericht Karlsruhe (archiviert)
«Bild»-Bericht vom 3. Januar 2018 (archiviert)
dpa-Meldung zur Einstellung des Verfahrens via «SZ» (archiviert)
«Spiegel»-Artikel von 2019 über Vergleich (archiviert)
Correctiv-Faktencheck von 2020 (archiviert)
«taz»-Bericht aus 2017 (archiviert)
Artikel des «Wall Street Journal» (archiviert)
Höcke-Dementi in der «Jungen Freiheit» (archiviert)
«Wall Street Journal»-Artikel mit Auszügen (archiviert)
«Stuttgarter Zeitung» I und II (archiviert hier und hier)
Stenografischer Bericht der Plenarsitzung vom 2. Juni 2016 (archiviert)
«SZ»-Bericht über Gehlmann-Zwischenruf (archiviert)
AfD-Pressemitteilung (archiviert)
Correctiv-Faktencheck von 2020 (archiviert)
«Volksverpetzer»-Screenshot (archiviert)
«Stern»-Interview von 2017 (archiviert)
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