Europawahl 2024

Angebliche Beweise für Wahlbetrug basieren auf alten Fotos

11.06.2024, 11:29 (CEST)

Kaum sind die Wahllokale geschlossen, verbreiten Social-Media-Nutzer online Behauptungen über vermeintlichen Betrug bei der Europawahl. Die Bundeswahlleitung gibt dazu auf der Plattform X einen Rat.

«Sie schreddern AfD-Stimmzettel, entfernen AfD-Briefwahlstimmen, fischen AfD-Stimmen aus den Urnen»: Mit diesem Kommentar verbreiten mehrere Nutzer in sozialen Netzwerken Bilder, die einen vermeintlichen Wahlbetrug bei der Europawahl beweisen sollen. Die Bilder zeigen offenbar Screenshots von Beiträgen, die ein User namens «Ketzchen» auf der Plattform X veröffentlicht hat. Doch beweisen diese Postings wirklich Wahlbetrug?

Bewertung

Der User «Ketzchen» hat sein Profil gelöscht, daher lässt sich die Echtheit der Postings nicht mehr nachvollziehen. Einen Wahlbetrug belegen die Beiträge aber dennoch nicht: Die fraglichen Posts basieren auf Symbol- und Stockfotos, die schon vor dem Wahltag online kursierten. Zudem kann man an geschlossenen Briefwahlunterlagen nicht erkennen, ob es sich um AfD-Stimmen handelt.

Fakten

Als Beweise werden Screenshots von drei Beiträgen des X-Nutzers angeführt, die anscheinend am Wahltag (9. Juni 2024) veröffentlicht wurden:

  • Dem ersten Beitrag zufolge habe «Ketzchen» Vorher-Nachher-Bilder aus seinem Wahllokal gepostet. Dazu hat er ein Foto eines Stimmzettels und einem Foto von geschreddertem, bedrucktem Papier gepostet.
  • Laut dem zweiten Beitrag behauptet der X-Account, er habe «soeben 37 wahlzettel mit kreuz bei der afd aus der wahlztne gefischt und entsorgt» (Schreibweise im Original).
  • «Das hier sind alleine alle AFD Stimmen die ich alleine rausgenommen habe» (Schreibweise im Original), soll der User außerdem zu einem Foto kommentiert haben, auf dem rote Briefwahlumschläge zu sehen sind. Wie er an den geschlossenen Umschlägen erkannt haben will, welche Partei auf den darin liegenden Stimmzetteln angekreuzt wurde, erklärt er nicht.

Der User, der diese Beiträge veröffentlicht haben soll, hat auf X tatsächlich existiert - der Account ist aber mittlerweile gelöscht. Am Abend des Wahltags war das Profil noch erreichbar, die Beiträge waren zu diesem Zeitpunkt jedoch «geschützt» und konnten somit nur von Followern des Users eingesehen werden. Damit ließ sich nicht abschließend rekonstruieren, ob es die Posts wirklich gegeben hat.

Behauptungen basieren auf Symbol- und Stockfotos

Auch wenn unklar bleibt, wie authentisch die Screenshots sind, belegen sie aber noch keinen Wahlbetrug: Denn die fraglichen Behauptungen des Nutzers «Ketzchen» stützen sich auf Bilder, die bereits vor dem Wahltag im Netz kursierten.

So handelt es sich bei den vermeintlichen Vorher-Nachher-Aufnahmen um Symbol- und Stockbilder. Das Nachher-Foto von geschreddertem Papier findet sich mithilfe einer Bilderrückwärtssuche bei Shutterstock, einem Anbieter von Stockfotos. Hochgeladen wurde es dort 2014. Das Vorher-Bild des Wahlzettels verwendete die ARD bereits in einem Beitrag in der Audiothek vom 5. Juni 2024 als Vorschaubild.

Die Aufnahme, die angeblich die vom User aussortieren Briefwahl-Stimmen für die AfD zeigen soll, ist ebenfalls nicht aktuell: Das Foto stammt von einem dpa-Fotografen. Entstanden ist das Bild 2018 im Zusammenhang mit der damaligen Landtagswahl in Bayern. Es zeigt, wie Wahlhelfer die roten Briefumschläge mit Briefwahlunterlagen vorsortieren.

Bundeswahlleiterin: Behauptung ist noch kein Beleg für Manipulation

Auf der Plattform X schrieb die Bundeswahlleiterin am Abend der Europawahl: «Wir beobachten heute, dass Posts weiterverbreitet werden zu angeblicher Manipulation von Stimmzetteln oder der Auszählung durch Wahlhelfende.» Grundsätzlich gelte, Wahlfälschung ist strafbar.

«Wir haben bisher keinerlei Berichte über tatsächliche Manipulationsversuche», betonte die Bundeswahlleitung in dem Thread (Stand 9. Juni 2024). Eine Behauptung in einem Post allein sei auch noch kein Beleg für tatsächliche Wahlmanipulation. «Wenn Sie konkrete Belege haben, wenden Sie sich an die Strafverfolgungsbehörden. Innerhalb von 2 Monaten nach der Wahl können Sie Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl beim Bundestag einlegen.»

(Stand: 10.6.2024)

Links

X-Profil «Ketzchen» (archiviert)

Über öffentliche und geschützte X-Posts (archiviert)

Shutterstock-Foto von 2014 (archiviert)

Beitrag in der ARD-Audiothek vom 5. Juni 2024 (archiviert)

Artikel vom «Münchner Merkur» aus 2018 mit dpa-Foto (archiviert)

Bundeswahlleiterin auf X (archiviert 1/6, 2/6, 3/6, 4/6, 5/6, 6/6)

Facebook-Post (archiviert / archiviertes Sharepic I, II und III)

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