Ukraine-Krieg
Video manipuliert: US-Regierungssprecher äußerte sich nicht zu Belgorod
5.6.2024, 16:34 (CEST)
Die USA haben der Ukraine Ende Mai die Erlaubnis erteilt, US-Waffen in begrenztem Umfang gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen. Dies gelte aber ausschließlich für Gegenschläge zur Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw. Auch die Bundesregierung erlaubt der Ukraine nun, von Deutschland gelieferte Waffen gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen. Ein Sprecher des US-amerikanischen State Department soll sich laut einem Video, das auf Facebook kursiert, angeblich noch weitreichender geäußert haben. «Das US-Außenministerium Matthew Miller sagte, es gebe keine Zivilisten in Belgorod» (Schreibweise im Original), heißt es zu dem Video und weiter: «also ist jeder, der dort ist, ein legitimes militärisches Ziel.» In dem Video scheint Regierungssprecher Matthew Miller zu sagen, man wisse, dass praktisch keine Zivilisten mehr in Belgorod übrig seien. Die Stadt sei voller militärischer Einrichtungen, daher werde man die Verbündeten bei allem, was sie tun, unterstützen. Doch dass es diese Äußerung gegeben hat, ist falsch.
Bewertung
Der Ton des Videos wurde manipuliert. Im offiziellen Transkript der Pressekonferenz lässt sich nachlesen, dass sich der Sprecher des US-Außenministerium anders äußerte.
Fakten
Schon Details in dem kursierenden Video sind merkwürdig: In den ersten elf Sekunden trägt Matthew Miller, Sprecher des US-Außenministeriums, ein weißes Hemd und eine dunkelblaue Krawatte. Dann wird ein Journalist eingeblendet, der eine Frage stellt. Ab Sekunde 17 antwortet Miller auf die Frage, doch dabei trägt er ein hellblaues Hemd und eine violette Krawatte. Es wirkt, als seien zwei Videos zusammengeschnitten worden. Auch die Lippenbewegungen passen nicht zu den Worten.
Das US-Außenministerium veröffentlicht die Videos und Transkripte seiner Pressekonferenzen auf der offiziellen Webseite. Eine Suche in den Transkripten liefert zu dem Stichwort Belgorod kein Ergebnis, das zu der angeblich aktuellen Stellungnahme passt. Dass die USA der Ukraine die Erlaubnis erteilt, US-Waffen in begrenztem Umfang gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen, wurde am 30. Mai bekannt.
Der fragende Journalist aus dem kursierenden Video ist in einer Pressekonferenz am 9. Mai 2024 zu sehen, im Video ab Minute 30:30. Er trägt dort dasselbe blaue Hemd und graue Sakko. Auch Position und Aussehen der Männer um ihn herum passen zu dem Video, das auf Facebook kursiert. Regierungssprecher Miller trägt hier ein weißes Hemd und eine blaue Krawatte - wie im ersten Teil des Facebook-Videos.
Doch der Journalist fragt in Wahrheit nach Rafah im Gazastreifen, nicht nach Russland: An Miller gerichtet sagt er: «Ich glaube, Sie haben gesagt, dass es bestimmte Arten von militärischen Systemen gibt, die wir Israel nicht für den Einsatz in einer Rafah-Kampagne zur Verfügung stellen werden. Schließt die Erklärung des Präsidenten die Lieferung dieser oder ähnlicher Waffensysteme an Israel für den Einsatz in anderen Gebieten in diesem Zeitrahmen aus?»
Miller antwortet: «Ich werde an dieser Stelle nicht über das hinausgehen, was der Präsident gestern Abend gesagt hat. Wir haben deutlich gemacht, was unsere Politik ist. Wir werden mit der israelischen Regierung über diese und andere Fragen verhandeln, aber wie ich bereits sagte, sind wir zwar gegen die - ich möchte nur allgemein darüber sprechen - gegen eine größere Militäroperation in Rafah, aber wir unterstützen nach wie vor Israels Recht, sich gegen andere Bedrohungen zu verteidigen.»
Hier wurde also Bildmaterial verwendet und zusammengemischt, in dem eigentlich über etwas anderes gesprochen wird. Darüber wurde eine - womöglich mit Künstlicher Intelligenz - gefälschte Tonspur gelegt.
Das blaue Hemd und die violette Krawatte trug Miller zuletzt am 28. Mai. Auch in der Pressekonferenz an diesem Tag ist kein Statement zu Belgorod gefallen. Denn der Termin lag vor der Bekanntgabe, dass die Ukraine US-Waffen in weiterem Umfang als bisher nutzen darf.
In einem Bericht der «New York Times» sprach der Regierungssprecher Miller von «offensichtlichen Fälschungen» in Bezug auf das Video und schrieb Russland die Verantwortung dafür zu. «Der Kreml hat die Verbreitung von Desinformationen zu einer zentralen Strategie gemacht, um die Menschen sowohl innerhalb Russlands als auch außerhalb seiner Grenzen in die Irre zu führen», sagte Miller der Zeitung.
Russische offizielle Stellen hatten das manipulierte Video in sozialen Medien geteilt, etwa der Account der russischen Botschaft in Südafrika auf X. Der Beitrag ist noch in archivierter Fassung aufrufbar. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete später, dass der Chef des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten, Waleri Fadejew, einräumte, dass das Video mit Matthew Miller eine Fälschung sei. Fadejew hatte es zuvor kommentiert.
(Stand: 5.6.2024)
Links
Biografie von Matthew Miller, Sprecher des US-Außenministeriums (archiviert)
Übersichtsseite der Pressekonferenzen des US-Außenministeriums (archiviert)
Google-Suche nach Belgorod-Statement von Miller auf der Seite des US-Außenministeriums (archiviert)
dpa-Bericht über erweiterte Einsatzerlaubnis für US-Waffen, veröffentlicht von «zeit.de» (archiviert)
Video der Pressekonferenz vom 9. Mai 2024 (archiviert)
Transkript der Pressekonferenz am 9. Mai 2024 (archiviert)
Video der Pressekonferenz vom 28. Mai 2024 (archiviert)
Transkript der Pressekonferenz am 28. Mai 2024 (archiviert)
Beitrag in der «New York Times» mit Dementi von Miller (archiviert)
Archivierter Beitrag der russischen Botschaft in Südafrika auf X, Video archiviert
Tass-Bericht über Fälschung (archiviert)
Facebook-Beitrag mit manipuliertem Video (archiviert, Video archiviert)
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