Gründung der BRD

Sharepic verbreitet falsche Interpretation zu historischem Zitat

27.05.2024, 17:09 (CEST)

Als das Grundgesetz entstand, betrachtete es seine Verfasser zunächst als Provisorium. Falsch ist aber, dass dies ein Beleg dafür sein soll, dass die Bundesrepublik kein Staat sein soll.

Seit 75 Jahren gibt es das Grundgesetz. Das Jubiläum nehmen allerdings auch Anhänger der sogenannten «Reichsbürger»-Szene oder andere Menschen, die die Bundesrepublik nicht anerkennen, zum Anlass, ihre Behauptungen zu verbreiten. So ist auf einem Sharepic auf Facebook zusammen mit dem Foto und Namen des Staatsrechtlers und «Vater des Grundgesetzes» Carlo Schmid zu lesen: «Der Staat BRD wurde nie gegründet» sowie «Wir haben nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu machen. Wir haben keinen Staat zu errichten». Beide Sätze haben aber nichts miteinander zu tun - und nur ein Satz ist ein Zitat von Schmid.

Bewertung

Aussagen von Carlo Schmid werden aus dem historischen Zusammenhang gerissen und fehlinterpretiert. Zudem hat er nicht gesagt, dass die BRD nie gegründet worden sei.

Fakten

Der SPD-Politiker und spätere Bundesminister Carlo Schmid wirkte in den Jahren 1948 und 1949 im Verfassungskonvent und im Parlamentarischen Rat an der Ausarbeitung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland mit. In einer Rede im Jahr 1948 sagte er: «Wir haben nicht die Verfassung Deutschlands oder Westdeutschlands zu machen. Wir haben keinen Staat zu errichten. Wir haben etwas zu schaffen, das uns die Möglichkeit gibt, gewisser Verhältnisse Herr zu werden.»

Es gibt keinen Beleg, dass er den Satz «Der Staat BRD wurde nie gegründet» sagte. Dies soll offenbar eine - irreführende - Interpretation seiner Aussage sein.

Schmid begriff das Grundgesetz als ein Provisorium, da die Sowjetische Besatzungszone - die spätere DDR - nicht einbezogen wurde. Seine Aussage bezieht sich also auf eine konkrete historische Situation, die sich heute ganz anders darstellt.

Seine Position war damals eine gängige Sicht auf das Grundgesetz. Mit dem Namen «Grundgesetz» wollten die Politiker in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands das Augenmerk darauf richten, dass die darin festgelegten Regeln angesichts der faktischen Teilung des Landes nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur vorläufig gelten sollten. Laut Präambel wollten sie «dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung» geben.

In den folgenden Jahrzehnten bewährte sich das Grundgesetz. Es wurde in der Bundesrepublik allgemein anerkannt und sorgte dafür, dass sich eine stabile Demokratie entwickeln konnte. Auch wenn das Grundgesetz formal noch als Provisorium galt, wurde es so faktisch bereits zur vollwertigen Verfassung.

Erst seit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ist das Grundgesetz die Verfassung der gesamten Bundesrepublik, also auch der ostdeutschen Bundesländer. Damals entschied man sich dagegen, für das wiedervereinigte Deutschland eine komplett neue Verfassung zu entwerfen.

Auch die Bezeichnung «Grundgesetz» wurde nach der Wiedervereinigung für die Verfassung Deutschlands beibehalten. Das Bundesverfassungsgericht schreibt dazu: «Ein anderes Wort für Grundgesetz ist Verfassung.»

(Stand: 27.5.2024)

Links

Informationen zu Carlo Schmid (archiviert)

Rede von Schmid aus dem Jahr 1948 (archiviert)

Teil des Redetexts (archiviert)

Weitere Informationen zur Haltung Schmids (archiviert)

Bundestag zum Grundgesetz (archiviert)

dpa-Meldung zum Festakt des Grundgesetzjubiläums, veröffentlicht von «beck-aktuell» (archiviert)

Bundeszentrale für politische Bildung zum Namen des Grundgesetzes (archiviert)

Informationen zu Grundgesetz und Wiedervereinigung 1990 (archiviert)

Bundesverfassungsgericht über das Grundgesetz (archiviert)

Facebook-Beitrag mit der Behauptung (archiviert)

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