Staatsrecht

Das Grundgesetz ist die deutsche Verfassung

25.05.2024, 08:59 (CEST)

Auch nach 75 Jahren halten sich noch Mythen über das Grundgesetz. Anders als vereinzelt behauptet, handelt es sich dabei um eine vollwertige und anerkannte Verfassung.

Deutschland hat am 23. Mai das 75-jährige Bestehen seines Grundgesetzes gefeiert. Dazu haben sich viele Spitzenpolitikerinnen und Politiker geäußert, darunter auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die SPD-Politikerin teilte auf der Plattform X mit: «Wir haben allen Grund unsere Verfassung zu feiern.» Doch im Netz behauptet ein Nutzer, man müsse Faeser «erklären, dass ein Grundgesetz keine Verfassung ist». Das stimmt allerdings nicht.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. In Deutschland heißt die Verfassung «Grundgesetz». Der Name hat historische Gründe. Spätestens seit der Wiedervereinigung 1990 hat das Grundgesetz allerdings seinen provisorischen Charakter verloren.

Fakten

Mit dem Namen «Grundgesetz» wollten die Politiker in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands das Augenmerk darauf richten, dass die darin festgelegten Regeln angesichts der faktischen Teilung des Landes nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur vorläufig gelten sollten. Laut Präambel wollten sie «dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung» geben.

Das Grundgesetz war entstanden, nachdem die Militärgouverneure der Westmächte am 1. Juli 1948 die elf Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder beauftragt hatten, eine «verfassungsgebende Versammlung» einzuberufen. Wichtige Vorarbeiten leistete im August 1948 der Verfassungskonvent auf der Insel Herrenchiemsee. Vom 1. September 1948 an erarbeitete der Parlamentarische Rat in Bonn das Grundgesetz, das am 8. Mai 1949 verabschiedet und am 23. Mai vom Vorsitzenden des Parlamentarischen Rates, Konrad Adenauer, verkündet wurde.

In den folgenden Jahrzehnten bewährte sich das Grundgesetz. Es wurde in der Bundesrepublik allgemein anerkannt und sorgte dafür, dass sich eine stabile Demokratie entwickelt konnte. Auch wenn das Grundgesetz formal noch als Provisorium galt, wurde es so faktisch bereits zur vollwertigen Verfassung.

Erst seit der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 und dem Zwei-plus-Vier-Vertrag ist das Grundgesetz die Verfassung der gesamten Bundesrepublik, also auch der ostdeutschen Bundesländer. Damals entschied man sich dagegen, für das wiedervereinigte Deutschland eine komplett neue Verfassung zu entwerfen.

Auch die Bezeichnung «Grundgesetz» wurde nach der Wiedervereinigung für die Verfassung Deutschlands beibehalten. Das Bundesverfassungsgericht schreibt dazu: «Ein anderes Wort für Grundgesetz ist Verfassung.»

Wenn der Faeser-Kritiker auf X auch vorwiegend seine Meinung verbreitet, so ist seine Behauptung, «dass ein Grundgesetz keine Verfassung» sei, eindeutig verkehrt.

(Stand: 24.5.2024)

Links

X-Beitrag von Faeser (archiviert)

Bundestag zum Grundgesetz (archiviert)

dpa-Meldung zum Festakt des Grundgesetzjubiläums, veröffentlicht von «beck-aktuell» (archiviert)

Bundeszentrale für politische Bildung zum Namen des Grundgesetzes (archiviert)

Informationen zu Grundgesetz und Wiedervereinigung 1990 (archiviert)

Bundesverfassungsgericht über das Grundgesetz (archiviert)

Behauptung auf Facebook (archiviert)

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