Kritik nach wie vor erlaubt

UN-Migrationspakt richtet sich gegen Diskriminierungen

26.05.2024, 11:02 (CEST)

Manche stehen Zuwanderung ablehnender gegenüber als andere – strafbar machen sie sich mit ihrer Kritik aber nicht.

In den sozialen Netzwerken kursiert die Behauptung, die EU wolle die Redefreiheit zum Thema Migration «kriminalisieren». Zu sehen ist ein Video, in dem eine Person sagt, Kritik an Migration sei künftig strafbar und Medienhäuser, die Migrationskritik Raum gäben, könnten geschlossen werden. Stimmt das wirklich?

Bewertung

Nein. Erstes geht es hier um den UN-Migrationspakt und nicht um eine EU-Initiative. Zweitens stellt die Vereinbarung weder Kritik an Migration unter Strafe noch laufen Medienunternehmen Gefahr, bei kritischen Äußerungen geschlossen zu werden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird darin sogar entschieden betont.

Fakten

Der kurze Videoausschnitt stammt aus einer Pressekonferenz der ehemaligen rechtspopulistischen Fraktion ENF (Europa der Nationen und der Freiheit) im Europäischen Parlament im Oktober 2018. Der Sprecher, Marcel de Graaff, äußerte sich hier über den «Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration» der Vereinten Nationen (UN).

Ein grundlegender Aspekt dieser Vereinbarung sei die Ausweitung der Definition von Hassrede, führte er an. Kritik an Migration werde mit dem Abkommen zum Straftatbestand, Medienunternehmen riskierten bei kritischer Berichterstattung, geschlossen zu werden. Das ist allerdings eine vollkommen falsche Auslegung.

Aus dem globalen Migrationspakt der UN

In einem Entwurf zum Migrationspakt aus dem Juli 2018 (Download, S.23) ist zu lesen, eines der Ziele sei die «Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration».

Konkret bedeutet das, dass rassistische Äußerungen, Handlungen oder Diskriminierungen, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundene Intoleranz gegenüber Migranten bekämpft werden sollen. Zur Umsetzung werden mehrere Punkte genannt: Unter anderem sollen Rechtsvorschriften für Hassstraftaten gegen Migranten erlassen werden. Um Kritik an Migration geht es überhaupt nicht.

Des weiteren soll eine «unabhängige, objektive und hochwertige Berichterstattung durch die Medien» gefördert werden. Dies solle zum einen durch Sensibilisierung und Aufklärung über Migrationsfragen und damit verbundene Begriffe sowie Investitionen in ethische Standards in der Berichterstattung erfolgen.

Kein Geld mehr für systematische Diskriminierung

Zum anderen aber sollen solche Medien, «die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern», nicht mehr mit öffentlichen Geldern oder anderer materieller Unterstützung finanziert werden. Von Schließungen steht in der Vereinbarung nichts.

Auch die Meinungsfreiheit wird nicht eingeschränkt: Im Gegenteil wird im ersten Absatz dieses Abschnitts sogar explizit dazu aufgefordert, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen, da «eine offene und freie Debatte zu einem umfassenden Verständnis aller Aspekte der Migration» beitrage.

Im Dezember 2018 wurde der Migrationspakt bestätigt und von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Er ist, wie de Graaff selbst in der Pressekonferenz einräumte, nicht bindend. Wie die Mitgliedsstaaten den Pakt innerhalb ihres Hoheitsbereiches gesetzgeberisch und politisch umsetzen, bleibt ausdrücklich ihnen überlassen (Download, S. 6).

(Stand: 24.5.2024)

Links

X-Beitrag (archiviert)

Pressekonferenz der ENF (archiviert)

Entwurf zum Migrationspakt (Download) (archiviert)

Endfassung des Migrationspakts (Download) (archiviert)

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