Alter Clip verbreitet

Video kursierte bereits Monate vor Israels Militäreinsatz in Rafah

15.5.2024, 14:56 (CEST), letztes Update: 15.5.2024, 15:05 (CEST)

Israel hat in der vergangenen Woche einen umstrittenen Militäreinsatz in der Stadt Rafah im Gazastreifen begonnen. In sozialen Netzwerken werden nun ältere Bilder damit in Verbindung gebracht.

Angesichts des laufenden israelischen Militäreinsatzes in der südlichen Stadt Rafah im Gazastreifen kursieren in sozialen Netzwerken verschiedene Bilder. So soll ein Video zeigen, wie palästinensische Binnenflüchtlinge vor Beginn der Militäroperation Rafah verlassen. In dem Clip sind viele Menschen zu sehen, die eine Straße entlanglaufen. Zeigt das Video überhaupt Rafah und sind die Aufnahmen aktuell?

Bewertung

Die Bilder werden derzeit in einem falschen Zusammenhang verbreitet. Sie kursieren bereits seit November 2023 im Netz und wurden im Zentrum des Gazastreifens gedreht - nicht in der Umgebung von Rafah.

Fakten

Mithilfe einer Bilderrückwärtssuche lässt sich herausfinden, dass die Bilder nicht in der vergangenen Woche aufgenommen wurden. Mehrere Beiträge mit demselben Video wurden bereits im November 2023 gepostet. Ein Beitrag, bei dem es sich möglicherweise um den Ursprungspost handelt, wurde am 8. November 2023 auf Instagram veröffentlicht.

Somit ist klar, dass das Video bereits mehrere Monate vor Beginn des israelischen Militäreinsatzes in Rafah kursierte. Doch in welchem Kontext und an welchem Ort ist das Video entstanden? Der zugehörige Begleittext in dem englischsprachigen Posting lautet übersetzt: «Bewohner von Gaza von Nord nach Süd (...)». Auch das Datum wird darin erwähnt.

Humanitärer Korridor sollte Flucht in den Süden ermöglichen

In einem Situationsbericht vom 8. November 2023 ging die UN-Behörde für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) auf einen zuvor geöffneten humanitären Korridor im Gazastreifen ein. Dieser gesicherte Fluchtweg führte entlang der Straße Salah al-Din. Hintergrund ist der laufende Gaza-Krieg.

Auslöser des Kriegs war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübten. Sie töteten 1200 Menschen, nahmen 250 weitere als Geiseln und verschleppten sie in den Gazastreifen. Israel reagierte darauf mit Luftangriffen und einer Bodenoffensive.

Der humanitäre Korridor sollte der Bevölkerung im Gazastreifen die Flucht vor israelischen Bombenangriffen ermöglichen. Nach UN-Schätzungen in einer Mitteilung vom 8. November könnten am Tag zuvor «bis zu 15 000 Menschen» diese Route genutzt haben. Auch Medien wie «The Guardian» aus Großbritannien berichteten über die Zunahme der Flüchtenden über diese Route.

Video ist im mittleren Abschnitt des Gazastreifens gefilmt worden

Die Hauptstraße Salah Al-Din (manchmal auch Salah Al Deen geschrieben) durchquert den Gazastreifen von Norden bis Süden. Ein Foto der Bildagentur Imago bestätigt, dass in dem viralen Video ein Teil dieser Straße zu sehen ist. Auf der Imago-Aufnahme lassen sich verschiedene Elemente wiedererkennen: die bunten Werbetafeln am Straßenrand, die weiße sternähnliche Form auf einem Mast am Ende der Straße sowie das Verkehrsschild im Vordergrund. Den Angaben zufolge ist das Foto in der Nähe des Flüchtlingslagers Bureij entstanden.

Anhand weiterer Aufnahmen (hier, hier und hier) konnte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) den genauen Aufnahmeort lokalisieren: Das Video ist an der Straße Salah Al-Din vor einer kleinen Brücke aufgenommen worden, die über den Fluss Wadi Gaza führt. Das Verkehrsschild im Vordergrund weist auf diese schmale Brücke hin. Entgegen der Behauptung einiger Internetnutzer wurde das Video also im mittleren Abschnitt des Gazastreifens gedreht, nicht in Rafah.

Israel startete vergangene Woche umstrittene Militäroperation

Der Krieg geht indes weiter. Besonders im Fokus steht derzeit die Lage im Süden. Fast 450 000 Menschen haben laut UNRWA-Schätzungen binnen einer Woche Rafah verlassen. Israel hatte vergangene Woche einen umstrittenen Militäreinsatz gegen die Stadt an der Grenze zu Ägypten gestartet, in der sich zuletzt mehr als eine Million palästinensische Binnenflüchtlinge aufgehalten haben sollen.

Israel übt militärischen Druck auf die islamistische Hamas in Rafah aus, um die Freilassung von im Oktober verschleppten Geiseln zu erreichen. Die israelische Armee begründet das schon vor Monaten angedrohte militärische Vorgehen in Rafah damit, die letzten Bataillone der Hamas zerschlagen und die unter der Grenze zu Ägypten vermuteten Schmuggel-Tunnel zerstören zu wollen.

(Stand: 15.5.2024)

Links

Wie eine Bilderrückwärtssuche funktioniert (archiviert)

Instagram-Beitrag vom 8. November 2023 (archiviert / archiviertes Video)

DW-Bericht über humanitäre Korridore (archiviert)

UNRWA-Situationsbericht vom 8. November 2023 (archiviert)

UN-Mitteilung vom 8. November 2023 (archiviert)

«Guardian»-Artikel vom 8. November 2023 (archiviert)

Imago-Foto vom 8. November 2023 (archiviert)

Instagram-Beitrag vom 10. November 2023 (archiviert / archiviertes Video)

Foto der Brücke auf Getty Images (archiviert)

Archiviertes Foto von SRF News (archivierter Artikel)

Aufnahmeort bei Google Maps (archiviert)

Warnschild für schmale Brücke (archiviert)

Rafah auf Google Maps (archiviert)

UNRWA-Posting auf X (archiviert)

RND-Bericht zu Kritik an Militäreinsatz - Stand 11.5.2024 (archiviert)

Beitrag bei Facebook (archiviert / archiviertes Video)

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