Ausnahmeregel für Ukrainer?

Video über Forderung nach Doping-Lockerungen bei der EM ist ein Fake

08.05.2024, 18:21 (CEST)

Der Countdown läuft: Am 14. Juni startet die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Während die Vorbereitungen dafür getroffen werden, kursiert in sozialen Netzwerken ein gefälschtes Video.

Gut einen Monat vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft 2024 ist im Netz ein vermeintliches Video der «Bild»-Zeitung aufgetaucht: Der Sportjournalist und Doping-Experte Hajo Seppelt hätte angeblich Lockerungen für die Spieler der ukrainischen Nationalmannschaft bei Doping-Tests gefordert, heißt es darin. Als Begründung wird die psychische Belastung der Ukrainer aufgrund des russischen Angriffskrieges angeführt. Bestimmte Medikamente, wie beispielsweise Antidepressiva, würden das Ergebnis der Proben verfälschen. Der frühere Bundestrainer Joachim Löw habe sich daraufhin kritisch über den Vorschlag geäußert. Doch Vorsicht, die Geschichte ist erfunden.

Bewertung

Das Video ist eine Fälschung. Das bestätigte ein Sprecher der «Bild»-Zeitung. Auch der Journalist Hajo Seppelt erklärte, dass er eine solche Forderung nicht geäußert hat.

Fakten

Auf der Webseite der «Bild»-Zeitung («bild.de») lassen sich weder Hinweise auf das Video noch Berichte über die angebliche Forderung finden. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat daher die Axel Springer Verlagsgruppe kontaktiert, zu der die «Bild» gehört. Ein Sprecher bestätigte, dass es sich bei dem Video um einen Fake handelt. Das Video stammt nicht von der Zeitung.

Außerdem ist die Forderung erfunden: Im Telefonat mit der dpa erklärte der Doping-Experte Seppelt, dass es sich nie so geäußert hat. «Das ist eine Fälschung.» Bereits zuvor hatte er dies gegenüber «T-Online» klargestellt. Dass ihm falsche Aussagen in den Mund gelegt werden, überrascht den Journalisten nicht. «Es geht seit etlichen Jahren so, dass von Trollen bis hin zu russischen Staatsmedien immer wieder Fake News produziert werden», sagte er dem Nachrichtenportal.

Der Sportjournalist Hajo Seppelt hat mit seinen Recherchen rund um Dopingfälle weltweit Bekanntheit erlangt. Seine Veröffentlichungen zum russischen Dopingskandal machten ihn in dem Land zur unerwünschten Person. So hatte Russland etwa im Vorfeld der Fußball-WM 2018 versucht, seine Einreise zu verhindern und eine vorhandene Arbeitserlaubnis zunächst für ungültig erklärt. Später wurde dann doch ein Visum erteilt. Seppelt entschied sich wegen der «kaum kalkulierbaren Risiken» und auf Anraten der deutschen Sicherheitsbehörden später gegen eine Einreise.

Ähnliche Fake-Videos kursierten auch zur WM und zu Olympia

Der Videoinhalt ist also erfunden. Während der Clip in Deutschland bisher kaum Verbreitung findet, teilen vor allem prorussische Accounts ihn in sozialen Netzwerken. Es existieren Posts in verschiedenen Sprachen. «T-Online» berichtet in dem Zusammenhang, dass auch Bots, die mit russischen Desinformationskampagnen in Verbindung gebracht werden, die Fälschung weiterverbreiten.

In den vergangenen Monaten sind im Netz immer wieder ähnliche Nachahmungen sowie gefälschte Titelseiten mit Logos westlicher Medien aufgetaucht. So thematisierten auch zuvor verbreitete Fakes verschiedene Sport-Großveranstaltungen - etwa die Fußball-WM 2022 in Katar sowie die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris.

Auffällig ist: Immer wieder haben solche Videos einen inhaltlichen Bezug zur Ukraine. So zielt das nun kursierende Video offenbar darauf ab, der ukrainischen Nationalmannschaft schon vor Beginn der EM unbelegt Abweichung bei Doping-Tests zu unterstellen. Ziel ist es offenbar, die Ukraine so in ein schlechtes Licht zu rücken.

Wie die Deutsche Welle (DW) bereits 2022 berichtete, setzt die russische Propaganda unter anderem auf die Verbreitung solcher Medien-Fakes. Diese zielen laut Experten darauf ab, Misstrauen gegenüber bekannten Nachrichtenmedien zu säen und deren Glaubwürdigkeit zur Verbreitung von Desinformation auszunutzen.

Ukraine qualifiziert - Russland von UEFA gesperrt

Die Ukraine hatte sich wie Polen und Georgien bei letzter Gelegenheit für das Turnier im Sommer in Deutschland qualifiziert. Bei ihrer vierten EM spielen die Ukrainer in der Gruppenphase gegen Belgien, Rumänien und die Slowakei.

Russlands Nationalmannschaft wird hingegen kein Spiel bei der EM bestreiten. Der Grund: Der Europäische Fußballverband UEFA hat das Land aufgrund seines Angriffskrieges gegen die Ukraine derzeit von UEFA-Wettbewerben ausgeschlossen.

(Stand: 7.5.2024)

Links

Webseite der «Bild»-Zeitung (archiviert)

Suche auf Webseite (archiviert)

«T-Online» über Fake-Video (archiviert)

«Zeit»-Bericht von 2018 (archiviert)

ARD-Statement von 2018 (archiviert)

Post in prorussischem Telegram-Kanal (archiviert)

dpa-Faktencheck zu Fake-BBC-Videos

dpa-Faktencheck zu Fake-Video zur WM 2022

dpa-Faktencheck zu gefälschter Titelseite mit Olympia-Bezug

DW über Medien-Fakes aus prorussischer Feder (archiviert)

«Sportschau»-Bericht von Dezember 2023 (archiviert)

archiviertes Fake-Video

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.