Keine Soldaten in Tscherkassy

Virales Video: Bundespolizisten befinden sich auf moldauischem Staatsgebiet

26.04.2024, 12:35 (CEST)

Immer wieder behaupten User im Internet, Deutschland sei Kriegspartei im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. So soll ein Video nun Polizisten in der Ukraine zeigen. Doch das stimmt nicht.

«Aufgedeckt: Deutsche Polizisten und Soldaten in der Ukraine» - so beginnt ein virales Posting, das seit Anfang April von zahlreichen Nutzern in sozialen Netzwerken verbreitet wird. Ein Telegram-Kanal hat kürzlich ein Video veröffentlicht und behauptet, es zeige deutsche Polizisten, die «auf dem ukrainischen Grenzstreifen patrouillieren».

In der Folge schreibt der Kanal zudem von einer weiteren Information, die er aus Sicherheitskreisen erfahren haben will. So seien angeblich «bereits Ende März deutsche Truppen in der ukrainischen Stadt Tscherkassy südlich von Kiew eingetroffen», die dort nun in Schulen untergebracht sein sollen. Was hat es mit diesem Video auf sich? Und befinden sich tatsächlich deutsche Bundeswehr-Soldaten in Tscherkassy?

Bewertung

Der Kanal verbreitet teilweise falsche Informationen: In dem Video sind tatsächlich deutsche Polizisten zu sehen - sie befinden sich jedoch auf moldauischem Staatsgebiet in der Nähe der Grenze zur Ukraine. Es halten sich andere deutsche Polizisten in der Ukraine auf. Bundespolizisten schützen dort die deutsche Botschaft. Das Verteidigungsministerium dementiert derweil, dass sich Soldaten der Bundeswehr in der Ukraine befinden.

Fakten

Die meisten Nutzer verbreiten einen etwa 1:16 Minuten langen Clip. Es lassen sich zudem längere Versionen mit einer besseren Qualität finden. In dem Video sind drei Männer zu sehen. Zwei tragen eine Uniform, die der echten Uniform deutscher Polizisten sehr ähnlich sieht (hier und hier). Auf der Uniform des dritten Mannes sieht man das Logo der moldauischen Grenzpolizei.

Aus dem Hintergrund fragt eine Stimme auf Russisch - der Filmer, offenbar ein Einwohner aus Moldawien -, warum er die Männer nicht aufnehmen darf. Er beginnt mit ihnen zu diskutieren und will wissen, was sie dort zu suchen hätten. Daraufhin antwortet der Mann mit der moldauischen Uniform, dass sie zu Trainingszwecken und zum Schutz der Grenze zur Ukraine dort seien. Dem Filmer kommt dies dennoch seltsam vor. Er befürchtet, dass die Polizeipräsenz mit einem angeblich geplanten Angriff auf die von Moldau abtrünnigen Region Transnistrien und dem Konflikt mit Russland in Zusammenhang stehen könnte.

Bundespolizei: Beamte sind für Frontex in Moldau im Einsatz

Auf dem Ärmel des links stehenden Mannes ist bei Minute 2:10 ein Abzeichen zu sehen. Es handelt sich um das Emblem «Bundespolizei - 1. Internationale Einsatzeinheit». Zuvor schwenkt der Filmer die Kamera bei Minute 0:51, sodass ein Auto vom Typ Land Rover Discovery mit einem deutschen Kennzeichen der Bundespolizei zu sehen ist. Laut einer Online-Datenbank werden Fahrzeuge dieses Modells von der Behörde verwendet.

Eine Sprecherin der Bundespolizei bestätigte auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) die Echtheit des Clips. Bei den beiden Beamten handele es sich um Bundespolizisten, «die für die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, Frontex, im Rahmen der Joint Operation "Moldova 2024" im Einsatzgebiet Tudora ausdrücklich und ausschließlich auf moldauischem Hoheitsgebiet eingesetzt sind». Demnach sei das Video in Palanca entstanden, dem östlichsten Ort Moldaus nahe der Grenze zur Ukraine.

Tatsächlich lässt sich mithilfe von Details aus dem Video der genaue Aufnahmeort bestimmen: So wird anhand von Satellitenbildern deutlich, dass die Polizisten in der Aufnahme in der Nähe eines Hauses an der Florilor-Straße in Palanca stehen. Im Hintergrund ist ein Teil der Europastraße 87 zu sehen. Die Bundespolizisten befinden sich also auf dem Staatsgebiet Moldaus, nicht in der Ukraine. Wann der Clip aufgenommen wurde, ist unklar.

Polizisten schützen die deutsche Botschaft in Kiew

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex ist für den Schutz der europäischen Außengrenzen zuständig. Sie arbeitet dafür auch mit Nicht-EU-Ländern zusammen. Seit 2022 unterstützt Frontex die Behörden Moldaus bei der Grenzüberwachung und -kontrolle sowie der Bekämpfung von grenzüberschreitender Kriminalität. Auch die Bundespolizei entsendet dafür Einsatzkräfte. Laut der Sprecherin sind derzeit insgesamt sieben Beamte für Frontex in Moldau.

Auf Nachfrage, ob sich auch Einsatzkräfte aktuell in der Ukraine aufhalten, teilte die Behördensprecherin mit: «Die Bundespolizei ist mit Polizeivollzugsbeamten in der Ukraine ausschließlich an der deutschen Botschaft in Kiew vertreten.» Diese Kräfte seien dem Auswärtigen Amt unterstellt.

Die Aufgaben der Bundespolizei beschränken sich grundsätzlich nicht nur auf das Hoheitsgebiet der BRD. Deutschland beteiligt sich nach Angaben des Innenministeriums (BMI) an internationalen und europäischen Polizeimissionen. Neben den Einsatzkräften der Bundespolizei nehmen daran auch Beamte des Bundeskriminalamtes, der Polizeien der Länder sowie der Zollverwaltung teil. In der Übersicht werden zwei EU-Missionen mit Bezug zur Ukraine aufgeführt.

Keine Belege für Einsatz deutscher Truppen in Tscherkassy

Unterdessen lassen sich für die angebliche aktuelle Stationierung von deutschen Soldaten in Tscherkassy keine Belege finden. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums (BMVG) sprach von einer Fehlinformation. «Es befanden und befinden sich keine Angehörigen der Bundeswehr in der ukrainischen Stadt Tscherkassy und es befinden sich darüber hinaus auch keine Angehörigen der Bundeswehr in der Ukraine», teilte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur mit.

Die unbelegte Behauptung kursierte bereits Ende März im Netz. Ukrainische Medien berichteten sprachen in dem Zusammenhang unter Berufung auf die örtliche Verwaltung von prorussischer Propaganda.

(Stand: 25.4.2024)

Links

Bilder von Polizeiuniform I und II (archiviert hier und hier)

Webseite der moldauischen Grenzpolizei (archiviert)

Aufnahme von Uniform mit Logo der Grenzpolizei (archiviert)

Foto von Emblem «1. Internationale Einsatzeinheit» (archiviert)

Eintrag in Online-Datenbank (archiviert)

Ort Palanca auf Google Maps (archiviert)

Aufnahmeort bei Google Maps (archiviert)

Übersicht Verlauf der Europastraße 87 (archiviert)

Über Frontex (archiviert)

Frontex über Kooperationen (archiviert)

Frontex über Joint Operation «Moldova» (archiviert)

Bundespolizei über Internationale Aufgaben (archiviert)

BMI über internationale Polizeimissionen (archiviert)

X-Post vom 26. März 2024 (archiviert)

Ukrainischer Medienbericht (archiviert)

X-Post mit längerer Videoversion (archiviert / archiviertes Video)

Facebook-Post (archiviert / archiviertes Video)

Telegram-Beitrag (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.