Neue Verordnung
Fingerabdrücke auf Personalausweis auch in Zukunft erlaubt
9.4.2024, 16:04 (CEST)
Sind Fingerabdrücke auf dem Personalausweis in Zukunft ungültig? Das legen Postings auf Facebook und Telegram nahe. Ab 2027 sollen Fingerabdrücke angeblich nicht mehr erfasst werden dürfen, weil diese die Grundrechte «auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten» verletzen. Wie viel Wahrheit steckt dahinter?
Bewertung
Fingerabdrücke dürfen für den Personalausweis elektronisch erfasst werden. Wegen einer falschen Rechtsgrundlage ist die zugrundeliegende Verordnung zwar ungültig, sie bleibt aber vorerst wirksam. Eine neue Regelung soll die falsche Grundlage dann ablösen, sodass Fingerabdrücke auch 2027 weiter gespeichert werden können.
Fakten
Wer einen Personalausweis in Deutschland beantragt, dessen Fingerabdrücke werden elektronisch erfasst (§5 Personalausweisgesetz). Diese Maßnahme soll vor Identitätsmissbrauch schützen und es Kriminellen erschweren, Personalausweise von ähnlich aussehenden Personen zu nutzen – gemäß der zugrundeliegenden Verordnung 2019/1157 des Europäischen Parlamentes und des Rates. Hintergrund ist die Annahme, dass Lichtbilder als weniger fälschungssicher gelten.
Kritiker behaupten, dass dieses Vorgehen gegen das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens (Artikel 7 EU-Grundrechtecharta) und auf Schutz personenbezogener Daten (Artikel 8 EU-Grundrechtecharta) verstößt. Ein Mann in Wiesbaden wollte deshalb auch bei der Ausstellung eines neuen Personalausweises seine Fingerabdrücke nicht abgeben. In der Folge wurde ihm kein neuer Ausweis ausgestellt, wie es von Seiten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) heißt. Der Mann klagte dagegen und der EuGH setzte sich mit der Frage auseinander, ob die Pflicht von Fingerabdrücken im Personalausweis rechtmäßig ist.
EU muss nachschärfen
Das höchste europäische Gericht entschied, dass das Vorgehen mit den Grundrechten vereinbar sei. Die Verpflichtung stelle zwar eine Einschränkung der Grundrechte dar, diese sei jedoch durch die dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen gerechtfertigt, erklärt der EuGH ausführlich in seinem Urteil im Bereich III, Abschnitt C. Der EuGH meint damit den Kampf gegen Identitätsdiebstahl oder die Gewährleistung der Interoperabilität der staatlichen Überprüfungssysteme, wie es auch in der Pressemitteilung zum Urteil heißt.
Allerdings ist die Grundlage, auf die sich die Europäische Union (EU) bei der Verpflichtung 2019/1157 bislang stützt, falsch. Das Europäische Parlament und der Rat haben die Verordnung auf der Grundlage von Artikel 21 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) erlassen, also das Recht betreffend, sich im Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Die richtige Rechtsgrundlage ist nach Auffassung des EuGHs jedoch die spezifischere Bestimmung des Artikels 77 Absatz 3 AEUV zur Grenzschutzpolitik. Diese Bestimmung sieht ein besonderes Gesetzgebungsverfahren vor.
Die EU muss nun nachbessern und eine neue Verordnung verfassen, «die die Verordnung 2019/1157 ersetzt». Bis die korrekte Verordnung in Kraft tritt, gilt die alte Verordnung, um «schwerwiegende negative Folgen für eine erhebliche Zahl von Unionsbürgern, insbesondere für ihre Sicherheit im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts» zu vermeiden, wie es im Urteil heißt.
Der EuGH setzte eine Frist bis zum 31. Dezember 2026, «damit der europäische Gesetzgeber eine auf die richtige Rechtsgrundlage gestützte neue Verordnung erlassen kann». Die Formulierung der Pressemitteilung lässt darauf schließen, dass auch 2027 Fingerabdrücke auf Personalausweisen erlaubt sein sollen.
(Stand: 08.04.2024)
Links
Berichterstattung (archiviert)
Pressemitteilung EuGH (archiviert)
Personalausweisgesetz (archiviert)
BMI zu Fingerabdrücken (archiviert)
Verordnung 2019/1157 (archiviert)
EU-Grundrechtecharta (archiviert)
Urteil des Europäischen Gerichtshofs (archiviert)
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (archiviert)
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