Terrorattacke in Moskau

Ukraine-Pässe seit Jahren im Netz - zeigen keine Attentäter

2.4.2024, 14:50 (CEST)

Trotz Bekennerschreiben und Verdächtiger: Über die Attentäter auf eine Konzerthalle in Moskau wird im Netz weiter spekuliert. Doch die Männer auf verbreiteten Dokumenten haben damit nichts zu tun.

Noch am Abend des Anschlags auf die Crocus City Hall am Rand der russischen Hauptstadt Moskau hat eine Gruppierung der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) die Tat vom 22. März 2024 für sich reklamiert. Doch in sozialen Netzwerken sollen Aufnahmen von Ausweisdokumenten belegen, dass es sich bei den Verdächtigen angeblich um ukrainische Staatsbürger handle. Was ist da dran?

Bewertung

Die abgebildeten Personen haben nichts mit der Terrorattacke zu tun. Die Pässe sind bereits seit mehreren Jahren im Internet im Umlauf.

Fakten

Am Morgen nach dem blutigen Anschlag mit mindestens 144 Toten vermeldete der russische Geheimdienst FSB, Verdächtige festgenommen zu haben. Einige von ihnen hätten angeblich Kontakte in die Ukraine und seien auf dem Weg dorthin. Diese Version fand auch in sozialen Netzwerken Anklang - im Zusammenhang mit den vermeintlichen Pässen. Doch diese wurden schon vor Jahren in ganz anderem Kontext im Netz verbreitet, wie Rückwärtssuchen der Bilder zeigen:

  1. Einen der Ausweise setzt ein ukrainischer Fernsehsender zwischen 2019 und 2021 auf seiner Website mehrfach als Symbolbild für Meldungen über Änderungen im Pass- und Ausweiswesen ein.
  2. Eines der gezeigten Dokumente stammt aus einem russischen Wikipedia-Artikel über ukrainische Reisepässe und zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 1994.
  3. Ein weiterer Ausweis erscheint in einem ukrainischen Nachrichtenartikel von 2020 über die Festnahme eines Flüchtigen im Zusammenhang mit einem Anschlag auf eine Synagoge in Mariupol.
  4. Das vierte Foto zeigt einen Blogger, der 2016 die ukrainische Staatsbürgerschaft erhalten und das Foto von seinem neuen Ausweis veröffentlicht hatte. Die Nachrichtenagentur Ukrinform verweist in ihrem Artikel über die aktuell kursierende Falschbehauptung auf einen Facebook-Beitrag, in dem sich der Betroffene über die Verwendung des Fotos lustig macht.

Mehrfach reklamierte die Terrormiliz Islamischer Staat die Attacke in Moskau für sich. Westliche Sicherheitsbehörden und internationale Experten halten dies für glaubhaft und vermuten den IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) hinter dem Anschlag.

Trotzdem behaupteten Kremlchef Wladimir Putin und andere russische Vertreter schon kurz nach dem Anschlag ohne Vorlage von Beweisen, dass angeblich die Ukraine in das Verbrechen verwickelt sei. Die Ukraine, die sich seit mehr als zwei Jahren gegen einen brutalen russischen Angriffskrieg verteidigt, weist dies strikt zurück.

(Stand: 2.4.2024)

Links

«Tagesschau»-Artikel zum Anschlag (archiviert)

Facebook-Post mit Falschbehauptung (archiviert)

Ausweis 1 auf Nachrichtenseite 2019 (archiviert)

Ausweis 1 auf Nachrichtenseite 2020 (archiviert)

Ausweis 1 auf Nachrichtenseite 2021 (archiviert)

Wikipedia-Artikel zu ukrainischen Reisepässen (archiviert)

Nachrichtenartikel zu Festnahme 2020 (archiviert)

Artikel zur Blogger-Einbürgerung (archiviert)

Facebook-Post des Bloggers (archiviert)

Bericht von Ukrinform zu Falschbehauptung (archiviert)

Mitteilung des russischen Ermittlungskomitees am 29.3.2024 (archiviert)

dpa-Meldung über Putins Behauptungen via «Stuttgarter Zeitung» (archiviert)

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