Regierung plant «Open Banking»
Bankkunden in Kanada müssen keine Komplettüberwachung im Alltag fürchten
27.3.2024, 16:24 (CET)
Ein Überwachungsstaat wie China, in dem Bürgern selbst für kleine Vergehen im Alltag ernsthafte Konsequenzen zu befürchten haben, scheint im Westen unvorstellbar. Ein Facebook-Post behauptet nun, dass Kanada ein Sozialkreditsystem einführen will, mit dem die Politik «die vollständige Kontrolle über unsere Finanzen» erhalten soll. Auch auf Tiktok werden die Vorwürfe verbreitet. Gibt es diese Pläne wirklich?
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Für die Behauptung, die kanadische Regierung wolle Bankkonten mit einem Sozialkreditsystem verknüpfen, gibt es keine Belege. Zwar ist die Einführung eines «Open Banking» genannten Systems geplant. Dieses soll Kundinnen und Kunden aber lediglich die Möglichkeit geben, auf freiwilliger Basis Daten an ausgewählte Drittanbieter weiterzuleiten.
Fakten
Der Facebook-Post nennt für die Vorwürfe, Kanada wolle Bankkonten mit einer sozialen Kreditbewertung verknüpfen, keine Quellen oder Belege. Das Tiktok-Video, das nahezu identische Behauptungen aufstellt, beruft sich auf einen Artikel des österreichischen Blogs tkp.at, der in der Vergangenheit bereits mehrfach falsche und irreführende Informationen verbreitet hat.
Sozialkreditsystem wird bereits in China angewendet
Der Begriff des Sozialkreditsystems wird vor allem in Verbindung mit China verwendet. Das Gabler Wirtschaftslexikon beschreibt es als «elektronisches Überwachungs-, Erfassungs- und Bewertungssystem», in dem Bürger nach Lebenssituation, Sozialverhalten oder wirtschaftlichen Aktivitäten mit einer Punktzahl beurteilt werden.
Der Deutschlandfunk berichtete 2017 von einer Testphase in der Stadt Rongcheng. Wer sich nach dem Vorbild der chinesischen Regierung verhält, solle für sein Verhalten belohnt werden. Wer hingegen die Erwartungen nicht erfüllt und zum Beispiel Kredite nicht pünktlich zurückzahlt, müsse Konsequenzen wie den Ausschluss aus Flugzeugen und Bahnen fürchten.
«Open Banking» nicht ohne Risiken
Mit einem Sozialkreditsystem nach chinesischen Vorbild hat «Open Banking» allerdings nichts zu tun. Das Konzept sieht vor, Kunden die Möglichkeit zu geben, bestimmte Daten an Drittanbieter wie Finanzapps, Identifikations- oder Bezahlungsdiensten weiterzuleiten, berichtet der Fernsehsender CTV. Dafür braucht es aber stets die Einverständnis der Kontoinhaber. So soll vermieden werden, dass Kunden den Zugriff auf ihr gesamtes Online-Banking freigeben müssen.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht in «Open Banking» zwar Chancen für Innovation, erkennt aber auch Risiken. So bestehe neben Sicherheits- und Betrugsrisiken auch die Sorge, dass «Kundinnen und Kunden vom Zugang zu Finanzprodukten ausgeschlossen werden, wenn sie dem Datenzugriff durch Dritte nicht zustimmen wollen oder können», schreibt die BaFin auf ihrer Webseite.
Wie man die Risiken bei «Open Banking» abmildern könne, hänge laut BaFin von der rechtlichen Ausgestaltung ab. Die kanadische Regierung will einen Entwurf erst im April mit dem nächsten Haushalt veröffentlichen. Anhaltspunkte dafür, dass auch die Einführung eines Sozialkreditsystems dazugehört, gibt es jedoch keine.
(Stand: 27.3.2024)
Links
Blogartikel auf «tkp.at» (archiviert)
Definition «Sozialkreditsystem» vom Gabler Wirtschaftslexikon (archiviert)
Reportage vom Deutschlandfunk zu Sozialkreditsystem in China (archiviert)
Beitrag der BaFin zu «Open Banking» (archiviert)
Bericht von CTV News zu «Open Banking» in Kanada (archiviert)
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