Corona-Maßnahmen
Kein Beleg für angebliche externe Weisung ans RKI
26.3.2024, 17:18 (CET)
Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie waren heftig umstritten. Nun sind teils geschwärzte Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI) veröffentlicht worden, die in sozialen Medien für Debatten sorgen. Angeblich gründete die Verschärfung der Maßnahmen im März 2020 «nicht auf einer fachlichen Einschätzung des RKI, sondern auf der politischen Anweisung eines externen Akteurs», behauptet ein Nutzer mit Verweis auf einen Blogbeitrag. Lassen die Protokolle diesen Schluss zu und gab es tatsächlich keine wissenschaftlichen Gründe für die Maßnahmen?
Bewertung
Die Behauptung, dass keine fachliche Einschätzung zu der Entscheidung führte, ist irreführend. Mitte März 2020 stiegen die Corona-Fallzahlen in Deutschland an. Aus den Protokollen geht lediglich hervor, dass noch die Zustimmung einer bestimmten Person fehlte, um die Risikobewertung zu veröffentlichen. Mehrere Quellen gehen davon aus, dass es sich dabei um einen Mitarbeiter des RKI handelt.
Fakten
Der im Post verlinkte Artikel beruht auf einem Bericht des Online-Magazins «Multipolar», das teils geschwärzte Protokolle des RKI-Krisenstabs von Januar 2020 bis April 2021 veröffentlicht hat.
Das RKI erklärte, die Protokolle seien Zusammenfassungen von Diskussionen und Entscheidungen innerhalb des Krisenstabs: «Diese Diskussionen spiegeln den offenen wissenschaftlichen Diskurs wider, in dem verschiedene Perspektiven angesprochen und abgewogen werden.» Einzelne Äußerungen gäben dabei nicht zwangsläufig die dann abgestimmte Position des RKI wieder. Das Institut hatte die Dokumente im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens herausgegeben, wie eine Sprecherin auf dpa-Anfrage sagte. Ob es sich bei den online gestellten Unterlagen um die Originaldokumente handelt, kann das RKI nach Angaben der Sprecherin «nicht bewerten».
Geschwärzte Passage
In einem Protokoll vom 16. März 2020 ist laut dem Bericht von einer vorbereiteten neuen Gefahreneinschätzung des RKI die Rede: «Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald [Passage geschwärzt] ein Signal dafür gibt.» Möglicherweise verberge sich der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hinter der geschwärzten Passage, wird im Netz spekuliert.
Der aktuelle Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) trat den Vermutungen über eine äußere Einflussnahme entgegen: «Das RKI hat unabhängig von politischer Weisung gearbeitet.» Lauterbach sagte, der «geschwärzte Mitarbeiter» sei ein Mitarbeiter des RKI. Wenn es in den Papieren Schwärzungen gebe, betreffe dies meistens Mitarbeiter, die vor der Öffentlichkeit geschützt werden müssten.
Nach Informationen des Journalisten Markus Grill soll es sich in diesem Fall um Lars Schaade handelt, der 2020 Vizepräsident des Robert Koch-Instituts war. Seit 2023 ist er Präsident.
Corona-Situation im März 2020
Im «Multipolar»-Bericht heißt es, der Entschluss, die Maßnahmen zu verschärfen, sei gefallen, «ohne dass grundlegende Kennzahlen sich maßgeblich geändert hätten». Dazu wird im Text ausgeführt, dass der Anteil positiver Ergebnisse unter allen übermittelten Corona-Tests von der 11. zur 12. Kalenderwoche 2020 von 5,8 Prozent auf 6,9 Prozent zunahm.
In der Woche nach der Verschärfung der Maßnahmen stieg der Wert noch weiter auf 8,8 Prozent, danach stagnierte er und Anfang April begann er zu sinken. Die Werte legen nahe, dass sich die Zahl der Infektionen ohne strengere Maßnahmen weiter und schneller erhöht hätte.
Am 16. März 2020 meldete Italien bereits 2158 Tote im Zusammenhang mit dem Virus. Wenige Tage zuvor hatte die Weltgesundheitsorganisation die weltweite Ausbreitung des Coronavirus als Pandemie eingestuft.
(Stand: 26.3.2024)
Links
«Multipolar»-Artikel (archiviert)
dpa-Bericht via «Mindener Tageblatt» (archiviert)
Post von Markus Grill (archiviert)
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