Video verkürzt
«Tagesthemen»-Interview handelte von Polen
7.3.2024, 13:35 (CET)
In den sozialen Netzwerken kursiert ein Video, dass aus Sequenzen aus ARD- und ZDF-Sendungen zusammengeschnitten wurde. Am Anfang sieht man ein Interview der «Tagesthemen». Die Moderatorin fragt die zugeschaltete Reporterin: «Wie will die neue Regierung die politische Spaltung im Land, die es ja gibt, überwinden?» Die Reporterin antwortet: «Das wird nicht einfach werden, aber ein Mittel könnte sein, die öffentlich-rechtlichen Medien zu reformieren, neu aufzustellen, also wieder unabhängig zu machen, wieder ausgewogen berichten zu lassen.» Und weiter: «Da wurden jeden Abend Lügen und Unwahrheiten, da wurde Hass und Hetze gegenüber Minderheiten, gegenüber der Opposition verbreitet.» Im Anschluss an das Interview sind eine Reihe von Kommentaren im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Thema Covid-Impfungen zu sehen. Doch mit Impfungen hat das Interview nichts zu tun.
Bewertung
Der ARD-Beitrag wurde sinnentstellend geschnitten. Wenn man das Originalvideo anschaut, wird klar, dass es nicht um Deutschland, sondern um Polen geht. Dort hatte die abgewählte nationalkonservative PiS-Regierung jahrelang den öffentlichen Rundfunk instrumentalisiert.
Fakten
Über eine Bilderrückwärtssuche bei Internet-Suchmaschinen lässt sich das Originalvideo auf der Internetseite der «Tagesschau» ausfindig machen. Es wurde am 11. Dezember 2023 gesendet (Interview ab Minute 4:12).
Darin wird deutlich, dass es sich bei der Reporterin um die ARD-Warschau-Korrespondentin Kristin Joachim handelt. In ihrer Antwort führt sie aus, dass der designierte polnische Ministerpräsident Donald Tusk Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Angriff nehmen will. «Denn die PiS hatte ja vor allem den Fernsehsender TVP in den letzten acht Jahren ihrer Regierungszeit zu einem Propagandaorgan der Regierung ausgebaut.» Diese entscheidenden Sätze fehlen allerdings in der viralen Version.
Die ARD veröffentlichte mittlerweile selbst einen Artikel, in dem sie darlegt, dass es sich bei der viralen Version um eine Manipulation handelt. «Das Interview ist offenbar sinnentstellt zusammengeschnitten», erklärt Marcus Bornheim, Chefredakteur von ARD-aktuell. «In dieser Form hat das Interview nie stattgefunden.» Mit der Situation in Deutschland habe es nichts zu tun. Seiner Meinung nach soll mit dem Video das Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschädigt werden.
Es ist nicht das erste Mal, dass Beiträge von ARD und ZDF manipuliert oder gefälscht werden. In Faktenchecks wies die Deutsche Presse-Agentur (dpa) zum Beispiel nach, dass ein TV-Auftritt der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner» sinnentstellend zusammengeschnitten wurde. Ebenso zeigte sie, dass ein kompletter Beitrag mit dem Design der Tagesschau sowie ein Screenshot aus dem ZDF «heute journal» gefälscht wurden.
(Stand: 6.3.2024)
Links
Manipuliertes Video bei X (ehemals Twitter)(archiviert))
Google-Bilderrückwärtssuche (archiviert)
Original-Tagesthemenbeitrag vom 11.12.2023(archiviert)
Profil der ARD-Warschau-Korrespondentin Kristin Joachim (archiviert)
ARD-Artikel zum manipulierten viralen Video(archiviert)
Bericht von Zeit-Online / dpa zur Vereidigung des polnischen Ministerpräsidenten(archiviert)
dpa-Faktencheck zum manipulierten TV-Auftritt in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner»(archiviert)
dpa-Faktencheck zum manipulierten Screenshot aus dem ZDF «heute journal»(archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.